Die Stimmung ist verhalten: Wirtschaftsfaktor documenta wird in Gastro und Hotels unterschiedlich eingeschätzt

50 von 100 Tagen sind vergangen. Inwieweit documenta-Touristen das Geschehen in Einzelhandel, Hotellerie und Gastronomie beleben, dazu haben wir erste Stimmungsbilder eingeholt
Kassel – Halbzeit bei der documenta fifteen: An diesem Wochenende sind die ersten 50 von 100 Tagen erreicht, viele Besucher sind schon wegen der Kunst in Kassel gewesen. Inwieweit diese Touristen das Geschehen in Einzelhandel, Hotellerie und Gastronomie beleben, dazu haben wir erste Stimmungsbilder eingeholt.
Vorsitzender Alexander Wild von den City-Kaufleuten hat nach einer Rundfrage den Eindruck gewonnen, dass die d15 in Kassels Innenstadt für „gute Frequenzen und gute Umsätze“ sorge: „Vor allem die Gastronomie profitiert und ist deutlich belebter.“
Aber auch beim Einzelhandel gebe es Anzeichen, dass die Geschäfte vom Kunstpublikum in der Stadt vielleicht noch stärker profitieren als bei der documenta 2017. Das sei freilich ein gefühlter Befund anhand von Rückmeldungen, betont Wild: Genaue Umsatz- und Frequenzzahlen gäben die Handelsunternehmen meist nicht heraus.
Gastro-Verband: „Erwartungen waren höher“
Oliver Kasties, Geschäftsführer des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga Nord- und Osthessen, spricht von einer verhaltenen Stimmung in der Branche. „Die Erwartungen waren höher“, sagt er. Es gebe weniger internationale Gäste, eher nur aus dem europäischen Ausland. Das liege an der Corona-Pandemie, der Ukraine-Krise und der konjunkturellen Situation. „Die d15 hilft uns über das Sommerloch, aber die Nachfrage ist geringer als in vorherigen documenta-Jahren.“
Laut Stephan Engel, Geschäftsleiter vom Kaufhaus Galeria, geht es mit den Kundenfrequenzen nach den Dämpfern der Coronazeit allgemein wieder bergauf – in seinem Haus aktuell aber mehr als an anderen deutschen Standorten: „Dank der d15 ist die positive Entwicklung in Kassel stärker.“ Im Vergleich zur Kunstschau vor fünf Jahren seien die Geschäfte in den ersten drei, vier documenta-Wochen allerdings verhaltener gelaufen, räumt Engel ein: „Da hätten wir uns schon etwas mehr erhofft.“
Kein Vergleich zu vergangenen documenta-Ausstellungen – dieses Zwischenfazit ziehen einzelne Gastronomen in der Innenstadt. „Wir haben gut zu tun, aber die Gäste sind andere“, sagt Chefin Nergül Toprakci vom Königskeller am Königsplatz. Vor fünf Jahren seien Asiaten, Franzosen, Amerikaner bei ihr gewesen, viele hätten sich über die documenta ausgetauscht. Diesmal aber könne sie „nicht sagen, ob unsere Gäste von der documenta kommen oder Urlauber sind“. Mitinhaber Vincenzo Chiera vom Avanti in der Königs-Galerie berichtet, dass sein Lokal mehr Umsatz habe, aber diesmal kaum außereuropäische Gäste.
Wie viele Kunsttouristen bisher in Kasseler Hotels abgestiegen sind, darüber wird die amtliche Statistik erst in einigen Wochen Aufschluss geben. Die Erwartungen der Branche würden sich wohl aber nicht erfüllen, meint Hiltrud Koch-Babel, Inhaberin des Hotels Excelsior. Die Buchungslage in dem 73-Zimmer-Haus sei zwar grundsätzlich gut, aber im Schnitt der Monate Juni und Juli sei bisher rund ein Viertel weniger Gäste gekommen als bei der Kasseler Kunstschau vor fünf Jahren.