Wie Netflix an der Uni: Filmarchiv der Kasseler Hochschule geht online

Nicht nur für die Forschung interessant ist das Filmarchiv der Uni Kassel. Dort sind mehr als 8000 Kino- und TV-Filme, Serien und Dokumentationen jetzt auch online abrufbar.
Kassel – Nur Popcorn und ein bequemer Sessel fehlen zum perfekten Kinoerlebnis: Filmmaterial gibt es an der Universität Kassel aber in Hülle und Fülle. Mehr als 8000 Kino- und TV-Filme, Serien und Dokumentationen umfasst das Film- und Medienarchiv am Fachbereich Geistes- und Kulturwissenschaften. Seit Kurzem ist es komplett digitalisiert und steht für wissenschaftliche Zwecke, aber auch interessierte Laien zur Verfügung.
Der Bestand reicht von Blockbustern wie den „Matrix“-Filmen über Klassiker wie „Casablanca“ sowie Literaturverfilmungen bis zu Schätzen aus der Zeit, als die Bilder laufen lernten. Dazu zählt etwa der Science-Fiction-Steifen „Die Reise zum Mond“ von 1902.
Sammlungsschwerpunkte liegen unter anderem auf dem frühen Film bis in die 1960er Jahre und der deutschsprachigen Film- und Fernsehgeschichte, sagt Dr. Stefanie Kreuzer, Professorin für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft/Medienwissenschaft. Ihr Fachgebiet betreut das Archiv. Zu den Besonderheiten zählen unter anderem die Werke des Kasseler Filmkollektivs, das von 1968 bis 1972 avantgardistische Dokumentarfilme produzierte.
Bislang lagen die Filme im Archiv überwiegend auf DVD oder VHS-Kassette, teils auch noch auf alten Filmrollen vor. In jahrelanger Arbeit sind sämtliche Exemplare nun digitalisiert worden. In einer eigens dafür programmierten Datenbank mit Streamingfunktion können nun die Titel online recherchiert und abgespielt werden.
Fast wie ein Uni-Netflix? So ähnlich, aber mit dem entscheidenden Unterschied, dass die Filme nicht von jedem beliebigen Endgerät abgerufen werden können, erklärt die wissenschaftliche Mitarbeiterin Dr. Caroline Frank. Das ist wegen des Urheberrechtsschutzes bei vielen Filmen nicht möglich. Alle im Archiv befindlichen Medien können nach Absprache in einem Sichtungsraum im Fachbereichsgebäude an der Kurt-Wolters-Straße angeschaut werden. In der Uni-Bibliothek soll demnächst ein weiterer Sichtungsplatz eingerichtet werden. Dort befinden sich im Übrigen 8500 weitere Audio-Video-Medien wie Film-DVDs und Hörbücher, die großteils auch entleihbar sind.
Den Kasseler Bestand des Filmarchivs hat vor 20 Jahren der damalige Germanistik-Professor Peter Seibert aufgebaut. Stefanie Kreuzer, die 2017 von der Uni in Saarbrücken nach Kassel kam, sorgte für eine Fusion der Bestände beider Hochschulen. Mit ihrem Team und Kopierroboter im Gepäck trieb sie seither die Digitalisierung der Sammlung voran – auch um sie langfristig zu bewahren. „Zelluloid kann reißen und spröde werden, und DVDs lassen sich irgendwann nicht mehr abspielen“, sagt Kreuzer.
Während das Vorhandene nun gesichert ist, wird der Bestand gleichzeitig stetig erweitert. Dabei gehe es nicht darum, jeden Kinohit zu archivieren, sagt die Professorin, sondern sich auf erzählerisch und hinsichtlich der filmischen Mittel interessante Filme zu konzentrieren; „Wir bedienen hier Nischen.“ So soll etwa der Schwerpunkt zum frühen Film ab Ende des 19. Jahrhunderts weiter ausgebaut werden. Auch filmische Abschlussarbeiten von Kunsthochschul-Studierenden sowie Filme des Kasseler Dokfests wolle man künftig systematisch sammeln.
Kurzlink zum Film und Medienarchiv: zu.hna.de/unifilm