Streit um documenta-Institut: Direktor Bude kritisiert Oberbürgermeister

Zum Start des Beteiligungsprojekts stellte die Stadt fünf Standorte für das documenta-Institut vor. Dessen Direktor war nicht eingeladen und kritisiert nun den Oberbürgermeister.
Kassel – Das seit Jahren geplante documenta-Institut soll möglichst nah am Friedrichsplatz entstehen und am besten ein Zentrum sein, das nicht nur der Wissenschaft dient, sondern auch Besucher anlockt. Dies war die vorherrschende Meinung der 180 Teilnehmer einer ersten Veranstaltung des Beteiligungsprojekts, mit dem die Stadt einen Standort für das Prestigeprojekt finden will.
Pläne, das Institut auf dem Holländischen Platz und Karlsplatz zu realisieren, sind gescheitert. Am Mittwoch wurden den auch per Los ausgewählten Kasselern im Veranstaltungsort UK 14 in der Unteren Karlsstraße fünf mögliche Orte vorgestellt: die ehemalige Sportarena, das als Ruruhaus ein Standort der documenta fifteen ist, das Dock 4, die documenta-Halle, der Parkplatz auf dem Papinplatz zwischen Staatstheater und Naturkundemuseum sowie der nebenan gelegene Parkplatz des Regierungspräsidiums. Dort müsste jeweils neu gebaut werden. Die von den Grünen ins Spiel gebrachte Torwache in der Wilhelmshöher Allee wurde nicht vorgestellt, da dieser Standort erst 2026 zur Verfügung stünde, wie Oberbürgermeister Christian Geselle (SPD) erklärte.
Viele Teilnehmer lobten die Veranstaltung als erhellend, es gab jedoch auch negative Stimmen. Kritik kam unter anderem von Heinz Bude, der Gründungsdirektor des documenta-Instituts ist, von der Stadt aber nicht eingeladen worden war. Dies sei wohl bewusst geschehen, wie der Soziologie-Professor gestern der HNA sagte: „Man wollte der eigentlichen Diskussion aus dem Weg gehen. Derzeit macht man sich in Kassel viele Gedanken über die Hülle und nicht über das, was dort eigentlich rein soll.“
Auch Bude will einen attraktiven Ort „mit einer Idee, die das Ganze belebt“. Mit seinen Mitarbeitern habe er konkrete Vorstellungen. Doch die documenta-Generaldirektorin Sabine Schormann gehe darauf nicht ein: „Darum werden wichtige Entscheidungen nicht getroffen. Das Problem ist der Oberbürgermeister, der Frau Schormann zu viel Raum lässt.“ Bude warnt: „So könnte es passieren, dass es am Ende gar kein Institut gibt.“ Die Stadt weist darauf hin, dass zu der Veranstaltung nur Menschen eingeladen worden seien, die ihren Wohnsitz in Kassel haben. Bude wohnt in Berlin.
Als nächster Schritt werden nun die von den Bürgern abgegebenen Fragebögen ausgewertet. Das Fazit dient der Politik als Grundlage für das weitere Handeln.
Das sagen Geselle und Schormann zur Kritik
Oberbürgermeister Christian Geselle: „Ich gebe der documenta den Raum, den sie braucht, damit sie sich für Kassel, Hessen und die Welt ihrer Bedeutung gemäß entfalten kann. Dazu gehört auch die Idee, dass alle mit der documenta Befassten synergetisch zusammenarbeiten und lebendig in die Stadtgesellschaft hineinwirken – optimalerweise an einem gemeinsamen Ort, dem documenta Zentrum. Dies ist im Übrigen kein neuer Vorschlag, sondern ein Wunsch, der bereits seit Jahrzehnten im Raum steht, u.a. aufgebracht von Arnold Bode selbst. Dies hatte ich Frau Dr. Schormann eingeladen, gestern bei der Bürgerbeteiligung vorzustellen. Warum damit das documenta Institut in Frage gestellt sein soll, erschließt sich mir nicht. Es geht doch um eine inhaltlich sinnvolle Erweiterung der Idee, um die einmalige Chance, jetzt gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern in einer „großen Lösung“ das Potential der documenta in seiner Gänze auszuschöpfen. Im Übrigen sind Sabine Schormann und ich seit einem halben Jahr in einem engen Austausch mit Staatsministerin Dorn und Unipräsidentin Clement über die künftige Organisation und rechtliche Stellung des documenta Instituts. Zunächst in diese Runde gehören die vorbereitend zu klärenden Fragen. Auf ein wissenschaftliches Konzept für das documenta Institut, das Herr Prof. Bude bislang noch nicht vorgelegt hat, sind wir beide gespannt.“
documenta-Generaldirektorin Sabine Schormann: „Inwiefern der Einstieg in einen öffentlichen Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern über einen optimalen Ort für ein wissenschaftliches documenta Institut oder ein breiter aufgestelltes documenta Zentrum, in dem Stadtgesellschaft sowie internationale Kunst und Wissenschaft zusammenwirken, eine Verlagerung der ‚eigentlichen Diskussion‘ darstellen soll, ist nicht nachvollziehbar. Ganz im Gegenteil: Es sollte in der documenta Stadt Kassel doch darum gehen, dass sowohl die Kunst als auch die Wissenschaft unabhängig, aber zugleich gemeinsam wirken. In den daraus resultierenden Möglichkeiten liegt das weltweite Alleinstellungsmerkmal von Kassel. Dafür setze ich mich ein.“ (Florian Hagemann und Matthias Lohr)