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Doch kein Verkehrsversuch auf Steinweg in Kassel - Ober-Bürgermeister kassiert Rad-Projekt

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Von: Matthias Lohr, Florian Hagemann, Axel Schwarz

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Der Steinweg in Kassel mit Blick Richtung Friedrichsplatz und Fridericianum, rechts im Bild die Radspur auf dem Fußgängerweg.
In diesem Bereich des Steinwegs sollte das Verkehrsprojekt mit einer eigenen Fahrradspur stattfinden. Daraus wird nun offenbar nichts. © Andreas Fischer

Zur documenta sollte es am Steinweg ein Verkehrsprojekt mit einer Radspur geben. Oberbürgermeister Christian Geselle (SPD) hat die Pläne nun aber widerrufen.

Aktualisiert am 29.04.2022 um 17.20 Uhr. Kassel – Nach den jüngsten Meinungsverschiedenheiten zwischen SPD und Grünen zum Energiezuschuss gibt es nun auch im Kasseler Magistrat Riesenkrach: Oberbürgermeister Christian Geselle (SPD) hat auf die Berichterstattung zu einem Verkehrsversuch auf dem Steinweg reagiert (siehe unten). Den hatte Radfahrbeauftragte Anne Grimm im Ortsbeirat Mitte in Absprache mit dem Verkehrsdezernenten Christof Nolda (Grüne) vorgestellt. Demnach soll es auf einem Teilstück des Steinwegs zur documenta und bis Juni 2023 Verkehrsberuhigungen mit Tempobegrenzung und Fahrbahnverengung geben.

Geselle stellt nun aber klar: „Mit mir werden die Hauptverkehrsachsen in der Stadt Kassel weiterhin ihrer Funktion gerecht werden.“ Bedeutet: Geselle kassiert Noldas Pläne, zumal Geselle bedauert, wie es heißt, dass im Ortsbeirat Mitte unabgestimmt ein solches Konzept vorgestellt worden sei.

Im Vorfeld seiner schriftlichen Aussage erklärt ein Stadtsprecher, dass das Sicherheitskonzept der documenta Verkehrsversuche als Teil der Radverkehrsplanung ausschließe. Das gelte auch für den Steinweg. In diesem Bereich sei auch künftig kein Verkehrsversuch vorgesehen. Gerade aber über entsprechende Pläne mit einer separaten Radspur hatte Grimm im Ortsbeirat Mitte gesprochen. Dabei handelt es sich um ein Vorhaben des Straßenverkehrs- und Tiefbauamtes. Allerdings: Rein rechtlich ist die Straßenverkehrsbehörde an Bundes-, Landes- und Kreisstraßen der Oberbürgermeister.

Dies führt nun zum offenen Konflikt im Magistrat, denn Nolda sieht sich weiterhin zuständig und hält am Versuch fest: „Es ist mein politischer Auftrag, Verkehrsversuche durchzuführen – sowohl auf Neben-, als auch auf Hauptverkehrsstraßen. Das steht so im Koalitionsvertrag. Daher bin ich verwundert und verstehe das Problem nicht.“

Der Radstreifen gefährde nicht den Verkehrsfluss, sondern mache Kassel beim Verkehr noch zukunftsfähiger. Zudem kritisiert der Grünen-Politiker seinen Chef Geselle: „Wenn ich mir unsere Aufgabe der Verkehrswende hin zur Klimaneutralität ansehe, frage ich mich ernsthaft, wie das gelingen soll, wenn bereits bei einem Verkehrsversuch von wenigen Metern Länge so eine öffentliche Auseinandersetzung vom Zaun gebrochen wird.“

Bereits in der Vergangenheit hatte es Unstimmigkeiten zwischen beiden Politikern gegeben. So machte Geselle die Pläne für das documenta-Institut wieder zur Chefsache, obwohl lange Nolda das Projekt betreut hatte.

Plan war Projekt zur Verkehrsberuhigung während documenta

In Richtung Weinberg sollte die rechte von drei Fahrspuren für Autos gesperrt und dem Radverkehr vorbehalten werden. Das Besondere dabei: Nicht nur für die 100 documenta-Tage, sondern darüber hinaus sollte die Verengung als Verkehrsversuch bestehen bleiben. Das ist nun wohl vom Tisch.

Das Vorhaben des Straßenverkehrs- und Tiefbauamts hat die städtische Radfahrbeauftragte Anne Grimm am Dienstag im Ortsbeirat Mitte vorgestellt. Es ging um einen 230 Meter langen Abschnitt von der Einmündung Mittelgasse bis zum Friedrichsplatz etwa auf Höhe des Landgrafendenkmals, wo die rechte Spur durch Schilder und Markierung für Radler abgegrenzt werden sollte. Den Autos wären zwei Richtungsfahrspuren geblieben.

Derzeit sind Radler wie Fußgänger in einem kombinierten Bereich neben der Fahrbahn unterwegs. Dass sie sich zur documenta an der Fußgängerampel beim Fridericianum ins Gehege kommen, sollte eigentlich mit der separaten Radspur vermieden werden. Mehr Platz im Bürgersteigbereich nütze auch der Außengastronomie am Steinweg gegenüber dem Theaterparkplatz, hieß es von der Stadt.

Zum 14. Juni, also kurz vor documenta-Beginn, sollte die neue Fahrspur-Aufteilung greifen. Erst nach einem Jahr, also Mitte Juni 2023, waren laut Straßenverkehrsamt der Rückbau sowie eine Auswertung des Verkehrsversuchs geplant – mit Frequenzzählungen, Befragungen von Verkehrsteilnehmern, Erfahrungen zum Liefer- und zum Parkverkehr.

Die Stadtteilvertreter im Ortsbeirat Mitte nahmen die Planungen wohlwollend zur Kenntnis. Zu Nachfragen führte aber die Ankündigung, dass während der documenta auf dem Steinweg in Höhe des Friedrichsplatzes ein Tempolimit von 20 km/h vorgesehen ist. Vom Altmarkt kommend gilt auf Höhe der Tränkepforte bei einer Kita Tempo 30. Kurz danach darf man wieder 50 fahren, wenige Meter weiter würden die Autos gleich wieder stark abgebremst – das fanden manche Ortsbeiratsmitglieder nicht sehr sachdienlich. Wie es nun um die Geschwindigkeitsbegrenzungen steht, ist unklar.

Mitte der Woche hieß es, es gebe dafür „noch kein abschließendes Konzept“, die „Abstimmung mit allen zuständigen Stellen“ laufe derzeit noch, sagte ein Stadtsprecher auf Nachfrage der HNA. Offen blieb einstweilen auch, ob am Friedrichsplatz die Fahrbahnränder aus Sicherheitsgründen wieder mit Beton-Leitplanken eingefasst werden wie bei der documenta vor fünf Jahren. (Axel Schwarz, Florian Hagemann und Matthias Lohr)

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