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Ein Spanischlehrer, der in Europa Brücken baute

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Von: Matthias Lohr

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Gründete die Deutsch-Spanische Gesellschaft: Nach Deutschland kam Benjamín Elizalde Baztán der Liebe wegen. Seine Frau hatte er in England kennengelernt.
Gründete die Deutsch-Spanische Gesellschaft: Nach Deutschland kam Benjamín Elizalde Baztán der Liebe wegen. Seine Frau hatte er in England kennengelernt. © Privat/nh

Der Spanier Benjamín Elizalde Baztán war der erste EU-Ausländer im Kasseler Stadtparlament und verfolgte mit der Deutsch-Spanischen Gesellschaft ein großes Ziel. Nun ist er gestorben.

Kassel – Als Benjamín Elizalde Baztán vor drei Jahren anlässlich der Europawahl von der HNA gefragt wurde, was er an Deutschland schätze, fiel ihm sofort etwas ein. Der Spanier nannte die Fähigkeit, Kompromisse zu machen. Während es in seinem Heimatland politisch oft ein Schwarz-Weiß-Denken gebe, könnten in Deutschland selbst CDU und Grüne koalieren und Brücken bauen.

Auch Elizalde Baztán war ein Brückenbauer. 1997 zog der Lehrer als wahrscheinlich erster EU-Ausländer ins Kasseler Stadtparlament ein. Im Ausländerbeirat versuchte er ebenfalls, die Menschen zusammenzubringen. „Benjamín war an Liebenswürdigkeit nicht zu übertreffen, humorvoll und immer offen für andere“, sagt Grünen-Veteran Volker Schäfer: „Kleinstaaterei war für ihn ein überlebtes Konzept.“ Mit seinem Freund Andreas Skorka hatte Elizalde Baztán 2009 zudem die Deutsch-Spanische Gesellschaft gegründet.

Am 14. Februar ist der Familienmensch und Großvater aus Niederzwehren mit 75 Jahren nach einer kurzen Krankheit gestorben. In der Trauerrede erzählte sein Mitstreiter Skorka, wie sie beide die Idee hatten, eine Partnerstadt für Kassel zu finden. Das Ziel konnte ihre Deutsch-Spanische Gesellschaft nicht erreichen. Auf der Trauerfeier sagte Skorka: „Aber wir wollen dranbleiben.“

Nach Kassel kam Ben, wie ihn seine Freunde nannten, über den Umweg England. Mitte der 1970er-Jahre arbeitete der Bauernsohn aus Nordspanien nach dem Studium der Philosophie und Geisteswissenschaften als Assistant Teacher im mittelenglischen Crewe. Dort verliebte er sich in Tina aus Uelzen. Zunächst konnte keiner die Sprache des anderen, aber auch so wurden sie ein Paar.

1974 zogen die beiden nach Marburg, wo Elizalde Baztán an mehreren Schulen muttersprachlichen Unterricht gab, der damals für Kinder von Migranten verpflichtend war. Jeden Tag fuhr er von einer Schule zur nächsten, wo er auf Spanisch einen Mix aus Sprache, Geografie und Geschichte lehrte.

Auch nach dem Umzug nach Kassel, wo Tina unter anderem an der Comenius-Schule unterrichtete, war er viel unterwegs. Er unterrichtete in Bad Hersfeld, Rotenburg, Bebra und Korbach sowie am Ende einige Stunden an der Kasseler Schule am Wall.

Muttersprachliche Lehrer wurden oft schlechter bezahlt als die Kollegen, wie er klagte, aber seine Leidenschaft war groß. Nach seinem Tod bedankte sich ein ehemaliger Schüler bei Tina mit einem Brief, dass ihr Mann Migrantenkinder wie ihn unterstützt hatte, damit auch sie aufs Gymnasium kommen. Nebenbei gab der Spanier mit baskischen Wurzeln an der Volkshochschule 30 Jahre Sprachkurse. Vielen Teilnehmern zeigte er auf Reisen seine Heimat.

Mindestens zweimal im Jahr fuhr das Paar mit Sohn und Tochter im Auto in das spanische Heimatdorf, aus dem er schon früh ausgezogen war, um auf ein Internat zu gehen. Weil er nicht als Ausländer zu seinen alten Freunden in die Heimat zurückkehren wollte, hat er nie die deutsche Staatsbürgerschaft beantragt.

Für ein Buchprojekt nannte Elizalde Baztán Kassel einmal „die Stadt, wo ich ohne Angst einschlafen kann und auch in Ruhe aufstehen kann“. Die Welt lernte er auf vielen Reisen kennen. Er fertigte sogar eine Liste an, welche Orte er noch sehen wollte. Sie war noch lange nicht abgearbeitet. (Matthias Lohr)

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