OB- und Hessen-Wahl: Grüne geben sich siegessicher

Zwei prominente Gäste lockten 400 Besucher zum Neujahrsempfang der Kasseler Grünen. Nicht nur OB-Kandidat Sven Schoeller zeigte sich siegessicher.
Kassel – Als Volker Schäfer am Freitag um 22 Uhr das Hallenbad Ost verlässt, ist der Grünen-Veteran beeindruckt. „So einen Neujahrsempfang hat es bei uns noch nie gegeben“, sagt der ehemalige Kulturdezernent der Stadt. 400 Gäste waren ins Hallenbad Ost gekommen. Zum Beginn um 18.30 Uhr war die Schlange vor dem Eingang fast so lang wie vorigen Sommer hier bei der documenta.
Schon die Wahl des Ortes dokumentiert das gewachsene Selbstbewusstsein der Partei, die die stärkste Kraft im Stadtparlament ist und eine Jamaika-Koalition anführt. Vor Corona hatten die Grünen im neuen Jahr noch an kleine Orte geladen. Nun lockten der Bundesvorsitzende Omid Nouripour und Hessens Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir als Gäste die Massen an. Die anderen Kasseler Parteien richten erst gar keinen Neujahrsempfang aus (bis auf die FDP, die mit den Kreisliberalen nach Dörnhagen eingeladen hatte).
Glaubt man den Rednerinnen am Freitag, werden die Grünen 2023 noch mehr Anlässe zum Feiern haben. Mitte-Ortsvorsteherin Julia Herz, die bei der Hessen-Wahl in den Landtag einziehen will, kündigte den OB-Kandidaten Sven Schoeller als „nächsten Oberbürgermeister der Stadt Kassel“ an. Und Parteichefin Vanessa Gronemann versprach, dass man Al-Wazir zum ersten Grünen-Ministerpräsidenten in Hessen machen werde.
Die Landtagsabgeordnete gönnte sich sogar eine Spitze in Richtung der Sozialdemokraten, die durch ihren parteiinternen Streit Jamaika den Weg geebnet hatten: „Ich möchte auch der SPD danken, dass sie das möglich gemacht hat.“ Deren Stadtverordneter Mario Lang, der wie Eva Kühne-Hörmann (CDU) und Matthias Nölke (FDP) anwesend war, lächelte etwas gequält.
Der Offenbacher Al-Wazir, der sich zuvor mit Nouripour bei der Firma Hübner über die Mobilitätswende informiert hatte, überraschte mit einem Bekenntnis. Er liebe Kassel: „Ihr kriegt schon immer besondere Dinge hin.“ Damit meinte er nicht nur Jamaika, sondern auch den Streit um den Radweg am Steinweg, der Grün-Rot zum Platzen gebracht hatte. Als Gast der documenta-Eröffnung am 18. Juni habe er sich gewundert über den Anlass der damaligen Rad-Demo: „Warum kann man nicht vernünftig diskutieren, wie man aus einer autogerechten Stadt eine menschengerechte Stadt macht?“
Wie Al-Wazir betonte auch Nouripour, wie gut Bund und Land bislang die Energiekrise bewältigt hätten. Und er besänftigte Kritiker, die der Ampel vorwerfen, nicht genug für Energiewende und Klimaschutz zu tun: „Wir stehen allein gegen zwei Koalitionspartner mit anderen Vorstellungen. Wir müssen liefern. Uns zerrinnt die Zeit.“
Den meisten Applaus erhielt OB-Kandidat Schoeller, der nicht nur betonte, wie wichtig ihm Klimaschutz und Schulsanierungen sind, sondern auch ein kollegialer Umgang „nicht nur im Rathaus“. Er sagte: „Ein Oberbürgermeister, der sich permanent nur unbeliebt macht, bringt unsere Stadt nicht weiter.“ Nouripour fragte: „Was sollen wir noch sagen? Sven hat alles auf den Punkt gebracht.“ (Matthias Lohr)