„Lise“ hilft Blinden bei der Orientierung: Kasseler Studentin hat Brosche mit Sensoren entwickelt

Mit einem Hilfsmittel für Blinde hat die Kasseler Studentin Anja Kellner beim Unikat-Wettbewerb der Uni Kassel einen Preis gewonnen. Die Idee dazu hatte sie bei der Begleitung einer blinden Frau.
Technik, die beim autonomen Fahren zur Erkennung des Umfelds eingesetzt wird, kann auch blinden Menschen bei der Orientierung helfen. Mit sogenannten Lidaren, kleinen Lichtsensoren, arbeitet Anja Kellner bei „Lise“. Der Name ihrer Entwicklung ist dabei zugleich Abkürzung der Technik als auch der Spitzname einer Frau, die sie dazu inspirierte.
Neben ihrem Kunststudium arbeitet Anja Kellner als Behindertenassistentin für eine erblindete Frau. Dabei bekam sie immer wieder mit, wie Türkante, Fenstergriff oder andere Hindernisse zu blauen Flecken oder Stürzen führen können. „Einmal hat sie sich sogar ein blaues Auge in der eigenen Wohnung geholt – und ich konnte es nicht verhindern“, erzählt die 38-Jährige. Zwar gibt es bereits Orientierungshilfen für Blinde, die mit Ultraschall funktionieren. „Aber das sind klobige Monster“, sagt die Studentin. Außerdem machten diese mit einem Warnton auf mögliche Gefahren aufmerksam. Das sei bei Unterhaltungen störend und bei lauten Nebengeräuschen schwer wahrnehmbar, sagt Kellner.
Das muss besser gehen, dachte sie sich – und machte sich an die Arbeit. Die Kasselerin hat ihr Sensorengerät als eine Art Brosche angelegt, die man an T-Shirt oder Jacke befestigen kann – und zwar mit einem Magneten statt einer Nadel, damit man sich beim Anbringen nicht pikst. Schließlich soll „Lise“ ja Verletzungen verhindern.
Die Lidare sind gewissermaßen die Augen des Systems. „Das kann man sich vorstellen wie Radare, nur mit Lichtsignalen“, erklärt Anja Kellner, die Bildende Kunst studiert, aber auch Technikfan ist. Vier solcher Sensoren senden Laserimpulse aus und können so potentielle Gefahrenquellen detektieren. Dabei kann man die Sensitivität des Systems individuell einstellen – denn wer schneller unterwegs ist, muss etwas zeitiger gewarnt werden. Das passiert mit Vibrationen, die durch einen kleinen Schüttelmotor ausgelöst werden. Mit einem Kabel ist der Schüttler an der Sensorbrosche befestigt und brummt auf dem Brustkorb, wenn Obacht geboten ist.
Einen Prototypen von „Lise“ hat Anja Kellner fertiggestellt und dafür den dritten Preis beim Unikat-Wettbewerb bekommen. Sie will nun weiter an ihrer Entwicklung feilen, um die Brosche noch kleiner und einfacher nachbaubar zu machen. Etwa 80 Euro kosteten dabei die einzelnen Komponenten. Ihr gehe es nicht darum, das große Geld mit ihrer Idee zu verdienen, sagt die Kasselerin. Vor allem wolle sie damit den Alltag von möglichst vielen blinden und sehbehinderten Menschen weltweit verbessern. Dafür möchte sie auch in Kontakt mit Blinden-Hilfsorganisationen treten, um „Lise“ auch in Entwicklungsländer zu bringen.
Für den hiesigen Markt möchte die Kunststudentin per 3-D-Druck individuelle Verkleidungen des technischen Innenlebens anbieten. So könne man den Alltagshelfer etwa in das gelbe Blindenzeichen mit den schwarzen Punkten integrieren. Aber auch mit Perlen oder Glitzersteinen geschmückt kann „Lise“ sich sehen lassen. (Katja Rudolph)