Eiskalt den Stromverbrauch senken: Kasseler Start-up entwickelt kluge Software für Supermärkte

Ein Kasseler Start-up will mit einer klugen Software dazu beitragen, dass Lebensmittelmärkte weniger Strom verbrauchen. Wir haben das Team von Öko-Vision getroffen.
Kassel – Supermärkte sind starke Stromfresser. Im Durchschnitt verbraucht ein Lebensmittelmarkt rund 310 Kilowattstunden (kWh) jährlich – pro Quadratmeter wohlgemerkt. Der Jahresverbrauch vieler Märkte entspricht damit in etwa dem von 100 Einfamilienhäusern. Ein Absolventen-Trio der Universität Kassel ist angetreten, den Stromhunger im Lebensmittelhandel zu senken.
Mit ihrem Start-up „Öko-Vision“, das im Science Park auf dem Uni-Campus ansässig ist, entwickeln Alexander Bock, Mara Libralon und Jonas Meister eine intelligente Software, mit der Energieverbräuche überwacht und analysiert werden können. So sollen auch Schwachstellen und Energielecks zutage treten. Dafür ist das Team kürzlich beim Gründerwettbewerb Promotion Nordhessen mit dem ersten Preis ausgezeichnet worden.
Von der Beleuchtung über die Klimatisierung bis zum Kassensystem wird in Supermärkten für verschiedene Zwecke Energie benötigt: Der größte Posten ist die Kühltechnik, auf die rund 60 Prozent des Verbrauchs entfallen, wie VWL-Absolvent Jonas Meister erklärt. Neben dem Einsatz moderner, energieeffizienter Geräte und dem Verzicht auf offene Kühlschränke kann eine genaue Auswertung der Stromdaten weitere Hinweise auf Einsparpotenziale geben. Die 15-Minuten-Daten, die Energieversorger bei Großkunden erfassen, seien dafür zu ungenau. Daher klemmt das Kasseler Start-up an den Hauptstromzähler ein Messgerät, das den Verbrauch in einsekündigen Schritten anzeigt.
An den hochaufgelösten Stromdaten kann das Team mit der Software nicht nur die Gefrierabteilung von der Beleuchtung unterscheiden und ablesen, wie viel Strom jeweils aktuell dafür abgezapft wird. An den Verläufen der Verbrauchskurven lassen sich auch Auffälligkeiten ablesen.
Steigt etwa der Energieverbrauch beim regelmäßig stattfindenden Abtauvorgang, könne das ein Hinweis auf eine Vereisung sein, erläutert Umweltingenieurin Mara Libralon. Auch bevor ein Gerät kaputt gehe, zeigten sich meist bereit Anomalien im Stromverbrauch. So könne man rechtzeitig Wartung oder Reparatur in die Wege leiten, bevor beispielsweise eine Kühltruhe ganz ausfalle und dann sämtliche Lebensmittel weggeworfen werden müssen.
Die Verbrauchsdaten liefern Hinweise für eine Optimierung von Betriebsabläufen, sagt Jonas Meister. sO könne man energieintensive Prozesse wie das Abtauen der Kühlmöbel und die Backofennutzung im Markt so aufeinander abstimmen, dass keine extremen Verbrauchsspitzen auftreten. Bei markteigenen Solaranlagen lasse sich auch deren Einspeiseleistung berücksichtigen.
Um all diese Energiedaten klug zu managen, bedienen sich die Kasseler Ökovisionäre auch künstlicher Intelligenz. Gefüttert mit einer Fülle von Stromverbrauchsdaten, soll ihre Software künftig voll automatisiert und in Echtzeit intelligente Analysen liefern. Auf dieser Basis lassen sich dann gezielt Verbräuche senken. Das Einsparpotenziel liege, je nach Modernisierungsgrad des Markts, bei 10 bis 25 Prozent, sagt Alexander Bock, der Physik studiert hat. Ihre Gründungsidee hatten er und Jonas Meister, die seit ihrer Schulzeit in Kassel befreundet sind, schon vor der Energiekrise. Durch die hohen Strompreise hat das Thema Energieeffizienz jetzt auch in vielen Unternehmen Priorität. Das merkt das Trio, das seit Kurzem dank eines Exist-Gründerstipendiums in Vollzeit an seinem Vorhaben arbeiten kann, auch an der Vielzahl der Anfragen. Im nächsten Jahr, so das Ziel, soll ihr Energiemanagement-Tool marktreif sein. „Uns interessiert vor allem der Umwelteffekt“, betont Mara Libralon, „aber auch den Märkten soll es einen Mehrwert bringen. “ (Katja Rudolph)
Kontakt: j.meister@oeko-vision.eu