Dieser Schlagzeuger gab den Scorpions einen Korb und ist in Kassel eine Legende

In den Sechzigern stand Arno Dittrich mit der Beat-Band Petards in den Charts vor den Beatles. Nun feiert er sein 60. Bühnenjubiläum und blickt auf eine bewegte Karriere zurück.
Kassel – Der Weg nach Kassel führte den Schlagzeuger Arno Dittrich 1966 erst einmal ins Gefängnis. Die nordhessische Beat-Band Ducks wollte den Drummer verpflichten, der damals in einem Club in Kaiserslautern US-GIs einheizte. Doch die Polizei ermittelte gegen Dittrich, weil er in seiner Heimatstadt Hannover dreimal nicht zur Gerichtsverhandlung erschienen war. Es ging um ein Verkehrsdelikt.
Die Beamten holten ihn in der Pfalz ab. In der Kasseler Elwe musste sich Dittrich die Zelle mit drei Schwerverbrechern teilen. Später wurde er zu elf Tagen Haft verurteilt.
Heute lacht der 78-Jährige über die Episode, die nur eine von vielen ist aus seiner ungewöhnlichen Karriere. Seit 60 Jahren steht der Kasseler auf der Bühne – ein Jubiläum, das nur wenige Profimusiker feiern können. „Mein ganzes Leben habe ich mir meinen Lebensunterhalt mit Schlagzeug spielen verdient“, sagt Dittrich, den Musik-Fans vor allem als Teil der legendären Petards kennen.
Von 1967 bis zur Auflösung 1972 gab der Schulabbrecher bei den Knallfröschen aus der Schwalm den Takt an. Mit Hits wie „Pretty Liza“ und „Misty Island“ lief die „Bauernband aus Schrecksbach“, wie HR-Moderator Hanns Verres die Formation liebevoll nannte, zeitweise sogar den Beatles den Rang ab. In fünf Jahren absolvierte das Quartett 1200 Auftritte. Bundesweit gab es 400 Fan-Clubs. Auch das Burg-Herzberg-Festival in Breitenbach im Knüll gründeten sie mit.
Die Petards lebten das Klischee aus Sex and Drugs and Rock’n’Roll, wie Dittrich sagt: „Bis auf Heroin habe ich alles ausprobiert.“ Sein Lampenfieber bekämpfte er jahrelang mit Alkohol.
Nach dem Aus der Petards erhielt Dittrich einen Anruf von Rudolf Schenker. Der Gitarrist suchte einen Schlagzeuger für die Scorpions, die damals niemand kannte. Doch Schenker konnte Dittrich nicht einmal das Existenzminimum versprechen. „Ich bin vielleicht der einzige, der den Scorpions einen Korb gegeben hat“, sagt Dittrich.
Statt mit den Hardrockern eine Weltkarriere zu starten, spielte er in der Schweiz in Tanzbands. Er begleitete Howard Carpendale und andere Stars und verdiente auch so gutes Geld – bis er nach Kassel zurückkehrte, wo er zwischenzeitlich die Kneipe „Knösel“ und in Bad Wildungen eine Disco betrieb.
Die Musik aber blieb sein Leben: „Sie war mein Ding. Ohne sie wäre ich vielleicht kriminell geworden.“ Heute lebt der verheiratete Vater eines Sohnes wie ein Asket. Jeden morgen feilt er auf dem E-Schlagzeug an seiner Technik und macht Yoga. Wenn er im Sommer mit nacktem Oberkörper an der Fulda joggt, sieht er aus wie Iggy Pop.
Mit der Band Gerd Hallaschka & Friends steht er nach wie vor auf der Bühne – das nächste Mal am 25. September im Theaterstübchen. Manchmal kommen noch Petards-Fans selbst aus Südhessen, um ihn zu sehen. Band-Leader Hallaschka lobt Dittrich nicht nur als Menschen und „als Schlagzeuger, der sein Handwerk versteht“, sondern auch wegen seiner Musikalität. Manchmal überrascht der Drummer auch, indem er mit seinem sonoren Bariton etwa Gregory-Porter-Lieder singt.
Ursprünglich sollte sich auch Dittrich im Band-Namen wiederfinden. Doch der Schlagzeuger selbst war dagegen. Arno Dittrich ist lieber der Mann im Hintergrund. (Matthias Lohr)