Er lebte mehr als ein Leben: Mit Stefan Fydrich starb ein vielseitiger engagierter Kasseler

Wer Stefan Fydrich zum ersten Mal begegnete, erlebte einen im besten Sinne offenen Menschen: herzenswarm, zugewandt und interessiert am Gegenüber. Wir erinnern an den Kasseler, der kürzlich gestorben ist.
Kassel – Wenn seine Verwandten, Wegbegleiterinnen und Wegbegleiter von Stefan Fydrich erzählen, verwenden sie Attribute wie „Menschenfreund“ und „Helfer“. Sie beschreiben einen Mann, der mit ganzer Leidenschaft und Aufopferung so unterschiedlichen Interessen nachging, dass es scheint, als würde dies alles gar nicht in ein Leben passen.
Mitte März ist Stefan Fydrich, der die letzten Jahre in Kassel lebte, im Alter von 68 Jahren an Krebs gestorben. Er hinterlässt unter anderem seine Lebensgefährtin, zwei Töchter, sechs Enkelkinder, Geschwister, seine 97-jährige Mutter und eine Ehefrau, von der er aber schon lange getrennt lebte.
Zuletzt hatte Fydrichs Engagement vor allem dem gemeinschaftlichen Wohnen gegolten. Als Vorstand der Genossenschaft „Kassel im Wandel“ war er bis zuletzt dabei, im Harleshäuser Feldlager ein Haus mit 16 Wohnungen zu bauen. In einem guten Monat wollte er dort mit seiner Lebensgefährtin, der Kasseler Ärztin Gabriele Hauenstein, einziehen. „Ich hätte ihm gewünscht, dass er das noch erleben kann“, sagt Hauenstein. Wegen seiner Lebensgefährtin hatte Fydrich den Weg zum Mehrgenerationenwohnen und nach Kassel gefunden. Das Paar hatte sich vor acht Jahren kennengelernt. Auf der Suche nach ärztlicher Hilfe für eine erkrankte Bekannte hatten sie zusammengefunden. Damals arbeitete Fydrich noch als Lehrer an der Grundschule in Waldkappel.
Der Lehrer für Musik, Sport und Religion hatte viele Talente: Neben dem Rasenkraftsport – er war einst hessischer Meister – hatte er sich vor 30 Jahren dem Obertongesang verschrieben. Zudem war er Chorleiter von drei Chören. Er spielte Didgeridoo, Klavier, Gitarre, Flöte, Trompete, Akkordeon und Tambura, eine Langhalslaute. Zuletzt hatte er sich in zwei Jahren das Harfespielen angeeignet. Er habe eine unglaubliche Disziplin gehabt, sich neue Dinge beizubringen, so Hauenstein.
„Ständiger Begleiter war seine Shrutibox“, ergänzt seine Schwester Annette Fydrich. Mit der Shrutibox – ein indisches Begleitinstrument – untermalte er seinen Obertongesang. „Er ist in Musik geschwommen“, sagt Gertrud Salm von der Genossenschaft „Kassel im Wandel“.
Die Liebe zur Musik war ihm in die Wiege gelegt worden. Sein Vater war nebenberuflich Organist und Chorleiter. Fydrich wuchs mit fünf Geschwistern in einem katholischen Elternhaus in der Nähe von Hünfeld auf. Von der katholischen Kirche wandte sich Fydrich früh ab. „Die war ihm zu restriktiv und konservativ“, erzählt seine Schwester. Weil er dennoch Religion unterrichten wollte, trat er in die evangelische Kirche ein.
Christlicher Glauben und der Glauben an Überirdisches und Übersinnliches waren für Fydrich kein Widerspruch. Außerirdisches Leben, Astronomie, unerklärliche Visionen und Erscheinungen waren große Themen. „Er war kein Anhänger einer esoterischen Lehre. Er war eher ein Forscher im Gebiet der Spiritualität. Er suchte nicht nur irdische Erklärungen“, so Salm.
Zwei harte Einschnitte musste Fydrich in den vergangenen Jahren erleben. Der erste kam mit der Corona-Pandemie und seinem politischen Engagement als Direktkandidat für die Partei „Die Basis“ bei der Bundestagswahl 2021. „Stefan erlebte heftige Vorwürfe“, erzählt seine Schwester. Auch in der Familie habe es Konflikte gegeben. Ihr Bruder habe zwar die Corona-Maßnahmen kritisch gesehen, aber er habe mit Antisemitismus – der Parteimitgliedern nachgesagt wurde – nichts zu tun gehabt. Im Gegenteil. So habe er sowohl Projekte des Vereins Stolpersteine musikalisch begleitet als auch sich in seiner Waldkappeler Zeit in einem Synagogenverein engagiert.
Den zweiten Einschnitt brachte die Krebsdiagnose im August 2022. Fydrich wollte die Krankheit ohne Chemotherapie überwinden. „Er hatte bis zum Schluss Hoffnung, aber er trat dem möglichen Tod offen gegenüber“, sagt Salm. Als er schon auf der Palliativstation gelegen habe, sagte er: „Entweder ich schaffe das, oder ich sterbe in zwei Tagen.“ Er starb dann tatsächlich zwei Tage später.
Fydrich wurde auf dem Friedhof Harleshausen – in der Nähe der Genossenschaft – begraben. Die große Trauergemeinde durfte seinen Sarg bemalen. Die Nachbargräber sind bereits für die anderen Mitglieder reserviert. (Bastian Ludwig)
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