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Vor zehn Jahren war er das „Supertalent“: Das macht Jean-Michael Aweh heute

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Von: Matthias Lohr

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Gewann im Dezember 2012 die RTL-Castingshow „Das Supertalent“: Jean-Michel Aweh aus Kassel, damals gerade einmal 20 Jahre alt. Von dem Ruhm von damals ist nicht viel geblieben. Archi
Gewann im Dezember 2012 die RTL-Castingshow „Das Supertalent“: Jean-Michel Aweh aus Kassel, damals gerade einmal 20 Jahre alt. Von dem Ruhm von damals ist nicht viel geblieben. © Sony

Im Dezember 2012 gewann Jean-Michel Aweh die RTL-Castingshow „Das Supertalent“. Er hatte einen Plattenvertrag und viel Geld. Wie geht es ihm heute?

Kassel – Am 15. Dezember 2022 hat Jean-Michel Aweh noch einmal etwas wehmütig an früher gedacht. An dem Tag jährte sich sein Sieg in der RTL-Castingshow „Das Supertalent“ zum zehnten Mal. Mit seinen einfühlsamen Piano-Balladen verzauberte der Kasseler Millionen TV-Zuschauer. Er war 20, hatte einen Plattenvertrag und 100.000 Euro in der Tasche.

Von dem Geld ist längst nichts mehr übrig. Aweh ist heute 31, macht Musik nur noch für sich selbst und hält sich „so über Wasser“, wie er sagt. Seine Karriere ist nicht untypisch für die Welt der Castingshows, die immer wieder neue Helden produziert. Die meisten werden ebenso schnell vergessen, einige kommen auch nicht zurecht mit dem Ruhm.

"Supertalent" aus Kassel bereut Teilnahmen an RTL-Show nicht

Der in Kassel und Niestetal aufgewachsene Aweh bereut seine Teilnahme an dem RTL-Format jedoch nicht: „Ich hatte drei große Ziele: einen Plattenvertrag, Popularität und Geld. Alles habe ich erreicht. Ich habe richtig abkassiert.“ Sein Album „Raus aus dem Nebel“ verkaufte sich immerhin 40.000 Mal. Er habe gut verhandelt und mehr verdient als die Plattenfirma.

Nach seinem Sieg stand Aweh nicht nur auf der Bühne im Rampenlicht. Auch der damalige Kasseler Oberbürgermeister Bertram Hilgen empfing ihn im Rathaus, damit er sich ins Gästebuch der Stadt eintrug. Doch dann sagte er seine Deutschland-Tour mangels Nachfrage ab und kritisierte auch Juror Dieter Bohlen und das Casting-System, in dem es nur um Ausbeutung gehe.

Zehn Jahre "Supertalent": Das macht Jean-Michel Aweh aus Kassel heute

Sein letztes Geld steckte er 2016 in seine Plattenfirma und das Pop-Projekt Ohrwurm Circus. Mit seiner melancholischen Stimme sang er zu sanften Elektro-Beats eingängige Pop-Melodien. Doch das wollte kaum einer hören. Mit dem Trio landete er einen „wirtschaftlichen Totalschaden“, was wohl auch an einem Schicksalsschlag lag. Zu seinem damaligen Manager Sergej Rezvanov hatte er ein enges Verhältnis. Doch der Kasseler starb mit 35 Jahren an Leukämie. „Danach habe ich mich jahrelang in Selbstmitleid gesuhlt“, sagt Aweh. Zwischenzeitlich verteilte er Flyer, um über die Runden zu kommen.

Musik ist heute immer noch das Wichtigste für ihn. Früher trat er in Kasseler Bars auf. Später sah man ihn häufiger am Klavier im Kulturbahnhof. Zuhause brachte er sich Gitarre bei. Und manchmal spielte er nachts in einsamen Parkhäusern Mundharmonika: „Ich wollte nur allein sein. Und ich mag die eigenwillige Akustik mit dem hallenden Effekt dort.“

Mittlerweile macht Aweh elektronische Musik mit analogen Instrumenten, also „Techno ohne Computersoftware“, wie er es beschreibt. Und er arbeitet ehrenamtlich im Klangkeller mit Kindern und Jugendlichen. In der Einrichtung in der Nachrichtenmeisterei neben dem Kulturbahnhof gibt es jeden Mittwoch (19.30 Uhr) eine Offene Bühne.

"Ganz großartiger Mensch und Musiker": Kasseler "Supertalent" erleidet wirtschaftlichen Totalschaden

Falk Jakob vom organisierenden Verein Bunte Wege ist dankbar, dass Aweh seine Erfahrung weitergibt: „Er ist ein ganz großartiger Mensch und Musiker und schreibt Sachen, auf die andere nicht kommen.“ Seine „unglaublich große Menschlichkeit“ zeige sich unter anderem dadurch, dass er sich in andere hineinversetze.

Wer Aweh länger kennt, ahnt, dass er zu gutmütig war für das mitunter harte Musikgeschäft. In Kassel fühlt er sich immer noch zuhause. Manchmal hat er allerdings das Gefühl, „dass mich viele hier als erfolglos und gescheitert abstempeln“. Dann überlegt er, ob es nicht besser wäre, in einer fremden Großstadt neu anzufangen.

Seine Ziele, die er sich vor seiner „Supertalent“-Teilnahme gesetzt hatte, hat er alle erreicht: Er war populär und hatte Geld. Trotzdem hat Jean-Michel Aweh weiter einen Traum: „Ich hätte gern noch einmal einen Musikvertrag. Ich will noch einmal das Feuer spüren und etwas Revolutionäres machen.“ (Matthias Lohr)

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