Kasseler zeigt Flagge für Frieden
Aktivist seit 1968: Thomas Jansen ist seit 40 Jahren beim Ostermarsch
Legeres T-Shirt, ausgewaschene Jeans: Man kann sich Thomas Jansen gut vorstellen auf dem Ho-Chi-Minh-Pfad, wo er mit dem Motorrad unterwegs war. Der 71-Jährige hat Vietnam oft bereist. Seit 40 Jahren engagiert sich der Friedensaktivist auch beim Ostermarsch.
Kassel - Erste Berührungen gab es durch den Vietnamkrieg (1955-1975) und die Antikriegsbewegung, der er sich 1968 anschloss. Damals begleitete er einen Medikamententransport des Deutschen Roten Kreuzes nach Südostasien. „Ich habe durch Napalm verbrannte Rücken gesehen“, erzählt er. „Ich habe erfahren, wie schrecklich Krieg ist.“
Das treibt Jansen bis heute an, hin zu Demonstrationen für Frieden und Abrüstung. 1981 gehörte er zu den Gründern des Kasseler Friedensforums. Eine Zeit, in der die USA planten, in Westdeutschland neue Atomraketen aufzustellen. Viel beachtet war 1984 eine vom Friedensforum mitorganisierte Ausstellung in der Orangerie. Das Thema, die ökologische Folgen eines Krieges am Beispiel Vietnams, ist für ihn noch aktuell: „Kriege sind nach wie vor die größten Umweltzerstörer.“
Diese Folgen hat der Kasseler in Vietnam gesehen: eine durch Chemiewaffen vernichtete Natur, etwa durch das dioxinhaltige Entlaubungsmittel Agent Orange. „Es wurde über Wälder versprüht. In den Dörfern hat es hunderttausende Opfer gegeben.“ Bis heute betrachtet der Friedensaktivist es als erschütternd, „dass die deutsche Regierung sich so spät von diesem Krieg distanziert hat.“ Zu den Opfern zählt er auch die US-Soldaten: „Viele GIs haben nicht mehr ins Leben zurückgefunden.“
Und heute fragt Jansen sich: „Warum Milliarden in neue Waffensysteme investieren, während Millionen Menschen an Covid 19 sterben?“ Geld werde für Dringlicheres gebraucht: die Pandemie, die ökologische Krise, die Verkehrswende. Und genau deshalb hält er es für wichtig, dass am heutigen Samstag ein Ostermarsch durch Kassel zieht. Und auch, „weil die Konfrontation zwischen den Machtblöcken stark ist, der Stil der politischen Auseinandersetzung nicht schärfer sein könnte.“
Sein Fokus richtet sich auf die USA, Russland und China, und auch auf die Diskussion um die nukleare Teilhabe Deutschlands: „Es ist eine irrsinnige Vorstellung, Deutschland könne einen Atomkrieg überleben.“ Statt Spannungen im Zuge der Pandemie abzubauen, werde aufgerüstet. „Ich vermisse ein Plädoyer für eine andere Friedenspolitik, für eine Politik der guten Nachbarschaft.“ Dafür geht er mit auf die Straße. Und auch für eine Wende in der Umwelt-, Sozial- und Flüchtlingspolitik.
Politisieren als Aufbegehren gegen konservatives Elternhaus
In guter Erinnerung hat er den virtuellen Ostermarsch 2020 – auch mit Beiträgen junger Klimaaktivisten: „Es macht Spaß ihr Auftreten zu sehen.“ In ihrem Alter schnupperte Jansen die Luft der 68er-Bewegung. Sich zu politisieren, war ein Aufbegehren gegen das konservative Elternhaus in Krefeld. Diskurse scheute er auch als Lehrer mit seinen Schülern nicht, und schon gar nicht als engagierter Gewerkschafter. 35 Jahre unterrichtete er Gesellschaftslehre und Deutsch in Vellmar und Kassel.
Ein Gespür für die Anliegen der Jugend hat ihm auch die Vaterrolle mitgegeben. Für die älteste seiner beiden Töchter ließ er eine Weile die Friedensaktivitäten ruhen: Als 1993 seine Frau starb, kümmerte er sich alleine um sie. Eine Zeit, die er in dem Aufsatz „Wie ich Vater wurde“ verarbeitete. Sicher ist es auch die Summe an Lebenserfahrung, die ihm den Zugang zu Menschen mit Sorgen erleichtert, denen er an einem Krisentelefon Zeit und Gehör schenkt. (Helga Kristina Kothe)