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Erinnerung an Stallupönen - 100 Jahre Patenschaft im damaligen Ostpreußen

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Von: Thomas Siemon

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Mit Stock und Hut: Die Kasseler Delegation zur Unterzeichnung der Patenschaftsurkunde 1915 in Stallupönen. Foto: Privat/Repro: Fischer
Mit Stock und Hut: Die Kasseler Delegation zur Unterzeichnung der Patenschaftsurkunde 1915 in Stallupönen. © Foto: Privat/Repro: Fischer

Kassel. In Wehlheiden erinnert die Stallupöner Straße an die älteste Städtepatenschaft, die Kassel pflegt. Im Gegensatz zu Partnerstädten wie Florenz in Italien oder Rovaniemi in Finnland kennt den Ort Stallupönen im früheren Ostpreußen heute kaum noch jemand.

„Das ist schade, denn die Gegend, aus der auch die weltberühmten Trakehner-Pferde kommen, ist sehr schön", sagt der 76-jährige Helmut Perrey. Er hat bis zur Flucht im Oktober 1944 seine ersten Lebensjahre auf dem Hof der Eltern in Stallupönen verbracht.

Die Verbindung zu Kassel, deren 100-jähriges Bestehen am Wochenende im Rathaus gefeiert wurde, geht auf den 1. Weltkrieg zurück. Damals nahm die russische Armee die Kreisstadt in Ostpreußen ein. Allerdings nur für kurze Zeit. Dann eroberten Soldaten des Kasseler Infanterie-Regiments 83 den Ort zurück. Das war im September 1914.

Ein Jahr später übernahm die Stadt Kassel die Patenschaft für den weitgehend zerstörten Ort und half beim Wiederaufbau. Stallupönen wurde 1938 im Zuge der nationalsozialistischen Germanisierung ostpreußischer Namen in Ebenrode umbenannt. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs wurde der Ortskern bei einem Luftangriff fast völlig zerstört. Im Januar 1945 nahm die Rote Armee das ehemalige Stallupönen ein. Der Ort erhielt den Namen Nesterow nach einem im Krieg gefallenen Oberst.

Stallupönen vor 100 Jahren: Im Jahr 1915 fuhr Kaiserin Auguste Viktoria in diesem offenen Wagen vor. Ihre Sommerresidenz hatte sie mit Kaiser Wilhelm II. auf der Wilhelmshöhe. Foto: privat/Repro:  Fischer
Stallupönen vor 100 Jahren: Im Jahr 1915 fuhr Kaiserin Auguste Viktoria in diesem offenen Wagen vor. Ihre Sommerresidenz hatte sie mit Kaiser Wilhelm II. auf der Wilhelmshöhe. © Foto: privat/Repro:  Fischer

Am Wochenende gab es vor der Feierstunde eine Kranzniederlegung am Ehrenmal in der Karlsaue. Bei der Totenehrung hatte fast jeder der Teilnehmer ein Familienmitglied vor Augen. „Meine ältere Schwester ist damals auf der Flucht krank geworden und in Mecklenburg gestorben“, sagt Helmut Perrey. Die meisten ehemaligen Stallupöner hat es nach Norddeutschland verschlagen. 70 von ihnen sind zu dem Treffen nach Kassel gekommen. Oberbürgermeister Bertram Hilgen (SPD) erinnerte daran, dass die Patenschaft eine der ältesten in Deutschland sei. Er würdigte die Aufbauleistung der ehemaligen Flüchtlinge in ihrer neuen Heimat. Gleichzeitig wies er auf die aktuelle Not von Flüchtlingen hin.

Heute gibt es in der Region Nesterow wieder eine deutsche Schule, die privat betrieben wird. Einige Häuser erinnern noch an die früheren Bewohner. „Aber die Erinnerung verblasst“, sagt Helmut Perrey.

Auf den Äckern rund um den Ort werde heute Biogemüse angebaut, berichtet Dr. Gerhard Kuebart, der Vorsitzende der Kreisgemeinschaft Ebenrode/Stallupönen. Die deutsche Firma Hipp macht daraus Babynahrung.

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