Kasseler Stadtverordnete üben Kritik an Kandidaten und an Überheblichkeit

So war die erste Stadtverordnetensitzung nach der langen Osterpause.
Kassel – Die Oberbürgermeisterwahl ist für gültig erklärt, die Dezernentenwahlen sollen nach dem Beschluss der Stadtverordneten nun ausgeschrieben werden. Was sonst noch in der Sitzung am Montagabend auffiel und was wichtig war, zeigt unser Schnellcheck.
Gab es noch einmal Diskussionen um die Oberbürgermeisterwahl?
AfD-Fraktionschef Sven R. Dreyer kündigte an, sich bei der Abstimmung über die Gültigkeit der OB-Wahl zu enthalten. Er sehe ein „erhebliches Restrisiko“, dass bei der Auszählung der Stimmen weitere Fehler als die, die korrigiert wurden, gemacht worden sein könnten. Die AfD empfehle daher dringend ein sichereres Auszählungsverfahren. Dazu meinte Grünen-Fraktionschefin Christine Hesse, die Begründung zu zwei eingegangenen Einsprüchen „belegt eindeutig, dass alles nach Recht und Gesetz gelaufen ist“. Das sahen die anderen Fraktionen genauso. Die Gültigkeit der OB-Wahl wurde einstimmig beschlossen – bei Enthaltung zweier AfD-Mitglieder und des fraktionslosen Bernd Hoppe (Rettet die Bienen).
Und wie lief es bei dem Beschluss zur geplanten Ausschreibung der vier Dezernentenstellen?
Auch dieser wurde einstimmig – bei erneuter Enthaltung Hoppes – gefasst. Auf Antrag der Jamaika-Koalition wird demnach der Wahlvorbereitungsausschuss einberufen und damit beauftragt, „die Stelle einer Bürgermeisterin/eines Bürgermeisters als erste Beigeordnete/erster Beigeordneter und die Stellen von vier hauptamtlichen Beigeordneten auszuschreiben“. Ob das so zu verstehen sei, dass die Zahl der hauptamtlichen Magistratsmitglieder von sechs auf künftig sieben erhöht werden solle, wollte AfD-Fraktionschef Dreyer wissen. Und stellte gleich den Antrag, dass nur drei Stellen ausgeschrieben werden sollten. Grünen-Fraktionschef Steffen Müller wies das zurück. Das sei keine Erweiterung des hauptamtlichen Magistrats, sondern ein ganz normales Verfahren. Die derzeitige Dezernentin (Nicole Maisch) werde sich als Bürgermeisterin bewerben.
Wurde Kritik zu den bereits bekannt gewordenen Wahlvorschlägen laut?
Ja, Kritik übte Anke Bergmann (SPD) sowohl an den von der CDU (Norbert Wett und Heiko Lehmkuhl) als auch an dem von der FDP (Matthias Nölke) vorgeschlagenen Kandidaten für die Dezernentenstellen. Bergmann in Richtung Jamaika-Koalition: „Wir fordern sie auf, ihre Haltung zu Personal und Zuschnitt der Dezernate noch einmal zu überdenken.“ In diese Richtung ging auch der Appell von Violetta Bock (Linke). Es gehe um die formale Wahlvorbereitung und nicht um eine Personaldebatte, wies dies Annette Knieling (CDU) zurück. „Die Überheblichkeit, mit der jetzt hier über Personen geredet wird, finde ich unangemessen.“
Ließ sich OB Geselle wieder von Bürgermeisterin Friedrich vertreten?
Nein, Christian Geselle war erstmals nach der Oberbürgermeisterwahl wieder in einer Stadtverordnetensitzung dabei, im Finanzausschuss hatte er sich vergangene Woche noch von Bürgermeisterin Ilona Friedrich (SPD) vertreten lassen. Die aber fehlte gestern Abend.
Welche personellen Veränderungen gab es nach der langen Osterpause?
Vier Stadtverordnete sind zu Beginn begrüßt worden. Neu in der Fraktion der Grünen sind die Landtagsabgeordnete Karin Müller, Natalie Sperl und Martin Hoppe-Kilpper. Sie rückten für Julia Rudolph, Daniel Stein und den künftigen Oberbürgermeister Sven Schoeller nach. Bei der SPD ist für den ausgeschiedenen Sascha Gröling nun Lars Koch in die Fraktion eingezogen.
Spielten die neuen Stadtverordneten in der Sitzung schon eine Rolle?
Ja, der gerade erst aufgenommene Ingenieur Martin Hoppe-Kilpper hatte gleich bei seiner Premierensitzung schon einen Auftritt in der Fragestunde. Der Grüne wollte wissen, ob die Städtischen Werke einen Transformations- und Investitionsplan für ein Wasserstoffnetz in Kassel zum Anschluss von sogenannten H2-Ready-Gasheizungen erstellen wollen. Oberbürgermeister Geselle antwortete, die Städtischen Werke würden das prüfen, einen Zeitplan gebe es dafür aber noch nicht.
Gibt es Neuigkeiten zum Olof-Palme-Haus?
Stadtbaurat Christof Nolda (Grüne) erklärte, mit dem Baubeginn des neuen Bürgerhauses für Süsterfeld-Helleböhn sei im Jahr 2025 zu rechnen. 2024 solle der Neubau geplant werden, sagte Nolda auf Anfrage von Petra Ullrich (SPD). Sie erinnerte daran, dass im Juni 2021 das Kulturamt seine planerischen Überlegungen im Ortsbeirat vorgestellt habe. Im Protokoll heiße es: „Das Olof-Palme-Haus wird erst abgerissen im engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Neubau.“ Nachdem vier Jahre nach der Schließung nun endlich der Abriss erfolge, fragte Ullrich den Magistrat: „Wann wird der dringend benötigte Neubau abgeschlossen sein?“ Zum Abschluss gab es gestern keine Antwort.
Waren auch die Radständer Thema, über die sich viele Kasseler derzeit so aufregen?
Ja, aber nur indirekt. Immer wieder gingen Redner darauf ein – vor allem, als es um ein anderes Aufregerthema ging: die E-Scooter. Mit großer Mehrheit beschlossen die Stadtverordneten einen Antrag der Jamaika-Koalition, der einen Bericht des Magistrats zur Abstellsituation der Roller verlangt. Keine Mehrheit fand dagegen ein Linken-Antrag, der konkrete Forderungen enthielt, unter anderem eine Begrenzung der Anzahl an E-Scootern sowie Gebühren für falsch abgestellte Fahrzeuge. Für Violetta Bock (Linke) waren die E-Scooter „von Anfang an ein Ärgernis“, weil sie „ökologisch zweifelhaft und ein Sicherheitsrisiko“ seien. Norbert Sprafke (SPD) bezeichnete die Roller als „eine Gefahr für Mensch und Natur“. Für Eva Koch (Grüne) können sie dagegen „durchaus eine sinnvolle Ergänzung für die Mobilität in der Stadt darstellen“. Carola Hiedl vom Behindertenbeirat forderte mehr Tempo bei dem Thema: „Für uns ist das eine sehr dringliche Aufgabe.“ (Andreas Hermann und Matthias Lohr)