Auftakt der Bürgerbeteiligung beim documenta-Institut: Es soll etwas Großes entstehen

Wie geht es weiter mit dem documenta-Institut? Nun sollten die Menschen fernab der Politik mitreden. Am Mittwoch gab es eine entsprechende Bürgerbeteiligung. Eindrücke.
Kassel – Ein bisschen hat das, was am Mittwochabend im UK 14 passiert, etwas von einer großen Vermittlungsbörse. Auf den Stühlen im Veranstaltungsgebäude in der Unteren Karlsstraße sitzen Menschen nebeneinander, die sich nicht kennen. An ihnen kleben Namensschildchen. Manche haben sich chic gemacht, manche tragen die Klamotten, die sie auch anhaben, wenn sie noch mal kurz in den Supermarkt um die Ecke müssen. Der Moderator erklärt nach ein paar Minuten, die Besucher sollten Dreiergrüppchen bilden und schon mal eine konkrete Frage diskutieren. Da fängt das wilde Getuschel an, das die Neugierde aller verrät.
Es geht hier aber nicht darum, den Partner fürs Leben zu finden. Es geht darum – ja, worum geht es eigentlich? Das ist so leicht gar nicht zu beantworten. Es geht an sich um den idealen Standort für das documenta-Institut, wobei eben erst einmal geklärt werden muss, ob das documenta-Institut nicht doch etwas größer und damit ein documenta-Zentrum werden soll. Ein Zentrum, in dem nicht nur das Archiv der Weltkunstausstellung zu Hause ist und geforscht wird. Sondern ein Zentrum, in dem die documenta auch zwischen den Ausstellungen sichtbar für jedermann wird und in dem öffentliches Leben stattfindet: Veranstaltungen, Ausstellungen, so etwas.
Das Thema wird bereits seit Jahren diskutiert, es gab schon mehrere konkrete Standorte für ein documenta-Institut. Den Holländischen Platz. Den Karlsplatz. Aber alles scheiterte am Ende. Jetzt sollen die Bürger bei der Suche nach dem Königsweg behilflich sein. 180 sind ausgewählt – 60 sind von Parteien und Verwaltung entsandt, 120 sind per Zufall ermittelt worden. Zusammen sollen sie einen repräsentativen Querschnitt der Stadt bilden. Ein paar haben abgesagt – einer, weil er an diesem Tag Vater wird. Das geht vor.
Die meisten aber sind gekommen. Menschen wie Fabio Hesse (26), Versicherungsvertreter aus dem Vorderen Westen, der per Los ausgewählt wurde und als Kasseler natürlich weiß, was die documenta ist, aber ansonsten jetzt einfach mal schaut, was passiert. Oder Menschen wie Martina Umbach (57) aus Oberzwehren, die kunstaffin ist und es als Diplom-Sozialpädagogin an einer Schule vor allem interessant findet, wie der Prozess der Bürgerbeteiligung funktioniert. Oder Menschen wie Mohamed Yuusef (26) aus dem Brückenhof, angehender Bauingenieur, den das Ganze an einen Tag der offenen Tür oder einen Workshop erinnert.
Nach einführenden Worten sollen sich alle in kleinen Gruppen austauschen und sich dabei im Foyer über die fünf verschiedenen Standortmöglichkeiten informieren. Es gibt Häppchen und Getränke. Im Foyer herrscht jetzt ein großes Gewusel, es geht um die Standorte, aber eben auch um die Ausrichtung der Einrichtung. Der 17-jährige Schüler Jona Degner gesteht, dass er gar nicht wusste, worum es genau gehen sollte an dem Abend. Nun fühlt er sich gut informiert: „Ich kenne jetzt die Vor- und Nachteile der Standorte und weiß, worauf es ankommt.“ 20 Minuten, 30 Minuten, dann kommen alle wieder im Gemeinschaftsraum zusammen. Zeit, um die Eindrücke mitzuteilen. Zeit für Wortmeldungen.
Viele sind angetan von dem, was ihnen präsentiert wird. Aber es gibt auch kritische Töne. Heinz Jacob von der Arbeitsgemeinschaft Karlsplatz, die erfolgreich gegen das documenta-Institut dort kämpfte, vermisst den Standort Torwache an der Wilhelmshöher Allee. Ein Mitarbeiter der schon geschaffenen Forschungseinrichtung documenta-Institut wundert sich, dass mit dem Soziologen Heinz Bude der Gründungsdirektor nicht eingeladen wurde. Eine Frau ist verwirrt, weil es doch um Standorte gehen sollte. Dabei sei doch noch offen, was genau dort eigentlich rein solle – ein wissenschaftliches Institut oder ein Zentrum, das auch zahlreiche Besucher anlocken soll. Für ihren Einwand erhält sie viel Beifall.
Am Ende bekommt jeder Teilnehmer einen Fragebogen, den er anonymisiert ausfüllen soll. Die Ergebnisse dienen dann als Grundlage für die Politik, die am Ende zu entscheiden hat. Stand jetzt muss sie sich wohl erst Gedanken machen, wie das Gebäude angelegt werden soll – und dann: welcher Standort sich dafür eignet. (Florian Hagemann und Matthias Lohr)