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Politkrach wegen Steinweg - darum geht es beim Verkehrsversuch

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Von: Matthias Lohr, Florian Hagemann

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Hier kommen sich Radfahrer und Fußgänger in die Quere: Der Verkehrsversuch auf dem Steinweg sollte auch helfen, Konflikte zwischen den Verkehrsteilnehmern zu vermeiden.
Hier kommen sich Radfahrer und Fußgänger in die Quere: Der Verkehrsversuch auf dem Steinweg sollte auch helfen, Konflikte zwischen den Verkehrsteilnehmern zu vermeiden. © Matthias Lohr

Im Rathaus kracht es wegen eines Verkehrsversuchs. Dabei geht es um ein Experiment am Steinweg, das das Dezernat des Grünen Christof Nolda geplant hat. Oberbürgermeister Christian Geselle (SPD) sagt, dass es das mit ihm nicht geben würde.

Kassel – Ein geplanter Verkehrsversuch auf dem Steinweg hat in Kassel einen politischen Krach ausgelöst wie schon lange nicht mehr: Wegen des Experiments hat Oberbürgermeister Christian Geselle (SPD) dem Grünen Christof Nolda, dessen Dezernat den Verkehrsversuch angestoßen hatte, wichtige Zuständigkeiten im Verkehrsbereich entzogen. Selbst ein Bruch der grün-roten Koalition im Stadtparlament ist nicht ausgeschlossen. Aber worum sollte es bei dem Verkehrsversuch eigentlich gehen?

Die Planungen hatte die städtische Fahrradbeauftragte Anne Grimm Dienstag voriger Woche im Ortsbeirat Mitte vorgestellt. Demnach sollte die rechte von drei Fahrspuren auf einer Länge von 230 Metern ab der Einmündung Mittelgasse bis zum Friedrichsplatz zur Radspur werden. Für Autofahrer wären dann in Richtung Trompete nur noch zwei Spuren übrig geblieben. Auch auf der Abbiegespur in Richtung Schöne Aussicht hätten sie geradeaus fahren können.

Dies alles sollte am 14. Juni, also kurz vor Beginn der documenta, wirksam werden und bis Juni 2023 dauern. Dann wollte man das Experiment auswerten, sagte Grimm im Ortsbeirat, die das Projekt in Abstimmung mit dem Verkehrsdezernenten Nolda vorstellte.

Während in Richtung Altmarkt alles beim Alten geblieben wäre, gab es auch Überlegungen, in Richtung Trompete auf Höhe des Friedrichsplatzes Tempo 20 gelten zu lassen. Dahinter stand vorige Woche jedoch noch ein Fragezeichen. Noch am Donnerstag teilte die Stadt mit, dass es für all das „noch kein abschließendes Konzept“ gebe.

Einen Tag später kassierte Geselle dann den gesamten Plan. Trotzdem hoffte Nolda weiter, dass er den Verkehrsversuch umsetzen kann. Unterstützung erhielt er unter anderem vom Linken-Stadtrat Kai Boeddinghaus, der für die nächste Magistratssitzung am Montag einen Antrag formulierte.

Demnach sollten Oberbürgermeister und Dezernenten ermutigt werden, den Versuch „wie geplant zu ermöglichen“. Boeddinghaus sagt: „Es darf nicht sein, dass nur von der Verkehrswende geredet wird und jede wirksame Maßnahme blockiert wird oder im persönlichen Gezänk untergeht.“ Nach HNA-Informationen wird der Oberbürgermeister den Antrag nicht auf die Tagesordnung nehmen.

Auf Anfrage teilt ein Stadtsprecher mit, dass der Magistrat „bei straßenverkehrsrechtlichen Angelegenheiten keine Zuständigkeit hat“. Verantwortlich sei allein der Oberbürgermeister als Straßenverkehrsbehörde. Im Gespräch mit unserer Zeitung stellt Geselle klar: „Es gibt mit mir an dieser Stelle den Verkehrsversuch so nicht.“

In sozialen Netzwerken erhält der Rathaus-Chef für sein Durchgreifen überwiegend Zustimmung. Auch die SPD steht hinter ihm. Es gibt jedoch auch Sozialdemokraten, die für den Verkehrsversuch sind. Dieter Seidel hatte im Ortsbeirat Mitte wie alle anderen Mitglieder für das Experiment gestimmt. Er hält die Situation am Friedrichsplatz für „echt verbesserungswürdig, weil sich Radfahrer und Fußgänger dort regelmäßig in die Quere kommen“. Beide müssen sich Geh- und Radweg teilen. Seidel glaubt auch nicht, dass die Leistungsfähigkeit des Steinwegs dadurch wesentlich beeinträchtigt wird. Trotzdem kann er die Entscheidung Geselles verstehen, da Nolda den Versuch nicht mit ihm abgesprochen habe.

Der Oberbürgermeister indes lehnt die Radspur allein schon aus Sicherheitsgründen ab. Ein Sicherheitskonzept für den Steinweg und die Zeit der documenta wird derzeit noch ausgearbeitet. Womöglich wird es ähnlich aussehen wie vor fünf Jahren: Seinerzeit war der rechte Fahrstreifen ebenfalls zum Teil gesperrt. Nur durften dort keine Radler fahren. (Matthias Lohr und Florian Hagemann)

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