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Experte der Universität Kassel gibt Tipps gegen Prüfungsangst

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Von: Bastian Ludwig

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Kassel. Die Zeit der Prüfungen steht bevor: Anfang März finden die schriftlichen Abiturprüfungen in Hessen statt, aber auch die Studierenden der Uni Kassel haben zum Ende des Wintersemesters mit Prüfungssituationen zu kämpfen.

Über Prüfungsangst und was man dagegen tun kann, sprachen wir mit dem Lern- und Prüfungscoach der Uni Kassel, Dr. Timo Nolle.

Was ist Prüfungsangst und wie wirkt sie sich aus?

Prüfungsangst ist ein Überregungszustand des Gehirns. Die Angst schränkt unser kognitives Denken ein und löst beispielsweise Sprachstörungen aus. „Es ist eine Form der Denkbehinderung. Angst macht dumm“, sagt Nolle. Der Betroffene erlebt die Situation als höchst bedrohlich, obwohl sie keinesfalls lebensbedrohlich ist. „Ich kenne aus meiner Praxis Fälle, da mussten sich Schüler übergeben oder hatten schwere Bauch- und Kopfschmerzen vor Prüfungen“, so der Experte.

Warum erleben die Betroffenen die Situation als sehr bedrohlich?

Dies tritt immer dann auf, wenn in der Entwicklung der Persönlichkeit der Selbstwert zu stark mit schulischen Leistungen kombiniert wurde. „Dann wird jede Klassenarbeit zum Test auf Lebenswertigkeit. Das geht nur so lange gut, wie die Leistungen stimmen“, sagt Nolle. Meistens gebe es ein zentrales Erlebnis, das die Angst auslöst. Das kann beispielsweise eine Situation sein, in der ein Lehrer einen Schüler wegen dessen Nichtwissen bloßgestellt hat. „Das ist wie ein Mini-Trauma, das in Prüfungssituationen wieder aufbricht“, sagt Nolle.

Was passiert in unserem Körper in solchen Angstsituationen?

Wenn wir in Panik geraten, können wir uns besser wehren, schneller rennen und sind weniger schmerzempfindlich. „Keine guten Voraussetzungen für eine Mathearbeit“, sagt Nolle.

Was können Eltern tun, um der Prüfungsangst ihrer Kinder entgegenzuwirken?

Je mehr man sich über Noten definiert, desto größer ist die Gefahr der Prüfungsangst. Wenn also Leistung einen hohen Stellenwert in einer Familie hat, sind die Kinder eher gefährdet. Eltern sollten ihren Kindern klarmachen und sie spüren lassen, dass sie mehr sind als nur Schüler. Schule ist wichtig, aber es gibt auch andere Dinge, die das Leben lebenswert machen. Kinder, die etwa in Sportvereinen Niederlagen erleben, können oft besser mit schlechten Noten umgehen.

Setzen Eltern ihre Kinder tatsächlich so sehr unter Druck?

„Ich habe selbst Kinder und merke, dass Eltern schon sehr besorgt sind, was die schulischen Leistungen betrifft. Die Angst ist so groß, dass die Kinder sie spüren“, sagt Nolle. Auf diese Weise entstehe ein Klima, das die Kinder unter Druck setze. Die Eltern würden dies nicht immer wahrnehmen.

Sind denn allein die Eltern in der Verantwortung?

„Nein, auch die Lehrer sind gefragt“, sagt Nolle. Viele Pädagogen würden sich zu wenig für ihre Schüler – über deren schulische Leistungen hinaus – interessieren. Eltern wie Lehrer sollten auch selbst eigene Misserfolge zugeben und thematisieren. Dies entlaste die Schüler. Lehrerbildung beschäftige sich zu wenig mit Beziehungs- und Haltungsfragen zu Schülern. Da gehe es mehr um Unterrichtsplanung und Didaktik

Welche Tipps gibt es gegen akute Prüfungsangst?

Eine Minute lang ruhig und gleichmäßig in den Bauch ein- und ausatmen. Dies sorgt für eine Regulierung des autonomen Nervensystems. In der Prüfung selbst sollten Schüler und Studierende nicht sofort mit der Lösung der Aufgaben beginnen, sondern sich zunächst alle Aufgaben durchlesen. „Zuerst sollten die Fragen beantwortet werden, die man leicht lösen kann“, sagt Nolle. Keinesfalls sollte man während der Prüfung Punkte zusammenzählen. Dadurch entstehe Druck.

Wie kann man sich auf eine Prüfung vorbereiten, damit erst keine Prüfungsangst aufkommt?

Da gibt es mehrere Dinge zu beherzigen. Zum einen: „Der Mensch ist kein USB-Stick. Wir können Dinge nur gut lernen, wenn wir die Zusammenhänge verstehen“, sagt Nolle. Da helfe es, Mind-Maps zu erstellen und sich mit anderen über ein Thema zu unterhalten. Um sich positiv auf die Prüfung einzustellen, gibt es Tricks: So sollte man nach schönen Erlebnissen – zum Beispiel beim Sport oder beim Hören der Lieblingsmusik – an die Prüfungssituation denken. Sofort werde auch dieses Ereignis positiv aufgeladen. Die inneren Bilder seien entscheidend.

Zur Person

Dr. Timo Nolle (37) ist Lern- und Prüfungscoach. Er arbeitet am Servicecenter Lehre der Uni Kassel und ist zudem am Systemischen Institut Mitte in Kassel tätig. Nolle hat Erziehungswissenschaft, Psychologie und Soziologie an der Uni Kassel studiert. Zudem ist er systemischer Therapeut. Der Kasseler ist verheiratet und hat zwei Kinder. 

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