Kassel. Dass er seinen 47-jährigen Nachbarn Thomas F. erschossen und dessen 30-jährige Frau Johanna mit zwei Schüssen am 1. März dieses Jahres schwer verletzt hat, daran könne der Angeklagte sich nicht mehr erinnern.
Das sagte der 69-jährige Angeklagte vor der Schwurgerichtskammer des Kasseler Landgerichts. Dort muss er sich am Mittwoch wegen des Verdachts des Mordes, des versuchten Mordes und der gefährlichen Körperverletzung verantworten. „Mir fehlen einige zusammenhängende Zeitabläufe“, sagte der Mann, der unter Mordverdacht steht. Vor der Tat habe er etwa fünf Kaffee mit Wodka getrunken.
Der Vorsitzende Richter Volker Mütze gab nach Verlesung der Anklage durch Staatsanwältin Julia Beinroth allerdings den rechtlichen Hinweis, dass auch eine Verurteilung wegen Totschlags und versuchten Totschlags in Betracht kommen könne. Das muss die Beweisaufnahme zeigen. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass das Mordmerkmal der Heimtücke erfüllt ist.
Laut Anklage kam es am 1. März zum Streit zwischen den Nachbarn in dem Mehrfamilienhaus an der Ihringshäuser Straße 109. Wegen der Nebenkosten. Im Verlauf dieser Auseinandersetzung habe der 47-Jährige den 69-Jährigen auch geschlagen und habe sich auf ihn gesetzt, als dieser am Boden lag. Anschließend wollten Thomas F. und seine Frau Johanna nach oben in ihre eigene Wohnung gehen. In der Annahme, dass die Auseinandersetzung beendet ist.
Diese Annahme war falsch. Laut Anklage schoss der 69-Jährige zunächst im Hausflur auf seine Nachbarn mit einer Kleinkaliberwaffe. Die hatte er im Nachttisch deponiert. Anschließend griff er zu einer abgesägten Schrotflinte, die zufällig im „Kinderzimmer“ der Wohnung stand. Damit eilte er nach oben und feuerte zwei weitere Schüsse in der Wohnung des Paars ab.
Der Angeklagte kann sich angeblich aber nur an einen Schuss mit der Schrotflinte erinnern. Den habe er in den Rahmen der Wohnzimmertür seiner Nachbarn abgegeben. „Dadurch habe ich ein Knalltrauma gekriegt und da bin ich wach geworden“, schilderte er vor Gericht. Erst dann habe er realisiert, „was er für einen Mist gebaut“ habe.
Mit beiden Waffen, die er illegal besessen hat, wollte er anschließend flüchten. Als er das Haus über die Kellertreppe verlassen wollte, wurde er aber bereits von der Polizei erwartet und festgenommen. Johanna F. hatte die Beamten über Notruf alarmiert.
Die Frau tritt als Nebenklägerin in dem Verfahren auf. Sie leide unter einer posttraumatischen Störung und sei psychisch nach wie vor sehr angeschlagen, sagte ihr Anwalt Thomas Morneweg. „Ihr Mann ist in ihren Armen gestorben.“