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Riesiger Flohmarkt in Kassel: Darum hat die Facebook-Gruppe 23.000 Mitglieder

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Von: Rebekka Knoll

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Neue Serie: Facebook-Gruppen der Region
In einer neuen Serie stellen wir wichtige Facebook-Gruppen der Region vor. Wir starten mit der Gruppe Flohmarkt Kassel. © Berger

Kassel. In der Facebook-Gruppe Flohmarkt Kassel werden täglich bis zu 130 Dinge angeboten – von Sommerreifen bis Bleikristall. Wir haben mit einem der Administratoren gesprochen: Warum die Gruppe ein kleiner Gegenentwurf zum Online-Marktplatz eBay sein kann.

Schlittschuhe, Fitnessgeräte, Sommerreifen und Bleikristall – im Flohmarkt Kassel werden jeden Tag hunderte Artikel angeboten. Manches wird verschenkt, anderes, wertvolle Konzerttickets oder Smartphones etwa, wechselt für mehrere hundert Euro den Besitzer. Was hier angeboten und verkauft wird, liegt nicht wie bei einem klassischen Flohmarkt auf Picknickdecken oder Ständen aus, niemand muss in aller Früh aufstehen, um die besten Angebote abzugreifen. Stattdessen fotografieren die Verkäufer ihre Waren und stellen sie als Posts bei Facebook online. Täglich stöbern 14.000 Menschen in der Gruppe Flohmarkt Kassel (anti eBucht), 23.000 Mitglieder zählt die Gruppe insgesamt.

In einer neuen Reihe stellen wir wichtige Facebook-Gruppen der Region vor. Sind Sie Mitglied oder Administrator einer Gruppe, über die wir berichten sollten? Dann schreiben Sie uns an online@hna.de.

Einer der Administratoren, kurz Admin, ist Axel Stalljohann. Er moderiert die Gruppe, entscheidet, wer Mitglied werden darf, und löscht Beiträge, die nicht den Gruppenregeln entsprechen. Offline ist der 49-Jährige Tischler, er hat grüne Haare und ebenso grüne Tunnel-Ohrringe. Ihm ist es wichtig, dass die Gruppe lokal bleibt, außerdem darf sich niemand an ihr bereichern. Sie soll ein Gegenentwurf zu eBay sein, darauf spielt der Namenszusatz „anti eBucht“ an. Nordhessen bekommen hier die Möglichkeit, günstig einzukaufen und Dinge weiterzureichen, die sie nicht mehr brauchen.

Einmal verlor eine junge Mutter von heute auf morgen ihre Wohnung. „Sie stand plötzlich bei Null“, erzählt Stalljohann. Eine Freundin nahm sich ihrer an: In der Gruppe stellte sie ihr eine komplett neue Grundausstattung zusammen. „Das ging ratzfatz – schon allein für solche schönen Erlebnisse lohnt sich die Arbeit in der Gruppe“, sagt Stalljohann. An Flohmarkt Kassel verdient er nichts. Warum er trotzdem täglich Arbeit in die Gruppe steckt? „Da gehört eine große Portion Altruismus dazu.“ Viele Mitglieder haben dennoch hohe Erwartungen an ihn und die anderen beiden Admins. „Das ist ein gutes Zeichen“, findet Stalljohann. „Das heißt, ihnen gefällt, was wir da machen.“

Axel Stalljohann
Axel Stalljohann ist einer von drei Admins der Gruppe Flohmarkt Kassel. © Knoll

Die drei legen großen Wert auf eine sachliche, freundliche Atmosphäre. Wer sich in der Gruppe umsieht, findet kein böses Wort, von Shitstorm keine Spur. Hier gibt es nur Angebote und Nachfragen: „Je Puppe fünf Euro – Selbstabholer“ – „Habe Interesse an dem Puppenjungen, wo kann ich ihn abholen?“, steht da beispielsweise. Oder: „Verkaufe eingeschweißte Doctor Who Tales. 16 Bände“ – „Hallo, ich habe Interesse.“ Für weitere Details werden persönliche Nachrichten geschrieben.

Zu Anfangszeiten sah es in der Gruppe noch anders aus. Gegründet wurde sie 2012 von Aykut Gür, der bis heute Ehrenadmin ist. Damals war alles sehr offen – so offen, dass Gür auch einen befreundeten Studenten zum Admin machte. Doch der begann, in Flohmarkt Kassel Werbung für seine eigene Gruppe zu machen. „Er hat immer mehr Freunde eingeladen. Gemeinsam haben sie versucht, eine feindliche Übernahme zu starten“, erzählt Stalljohann. Er bot seinem Freund Gür Hilfe an, wurde selbst zum Admin und griff durch: Er löschte die Werbeposts sowie den Shitstorm, der aufs Löschen folgte, und warf die Studenten aus der Gruppe. „Wir haben von da an stärker moderiert und mehr Präsenz gezeigt.“ Die Präsenz durch Kommentare und den direkten Dialog mit den Mitgliedern war so groß, dass Stalljohann auch selbst angegriffen wurde. Ein Nutzer beschimpfte ihn und schrieb: „Ich weiß, wo du wohnst.“ Da habe Stalljohann die Polizei angerufen und Anzeige gegen Unbekannt erstattet. „In so einer Zeit gehst du ganz anders aus dem Haus.“ Bis ein Nachbar zu ihm kam und sich entschuldigte. „Es war nicht so gemeint“, sagte er kleinlaut.

Facebook habe nichts mit der Realität zu tun, betont Stalljohann. In der Fußgängerzone komme niemand auf die Idee, einen Verkäufer wegen eines teuren Pullovers aufs Übelste zu beschimpfen. Doch bei Facebook passiere das immer wieder. „Wir wollen unsere Mitglieder schützen“, sagt Stalljohann. Deswegen seien er und die anderen Admins so streng. Nachdem Beleidigungen wegen teurer Kulturzelt-Tickets gepostet worden waren, löschten sie sämtliche Kommentare. Nutzer, die sich daneben benehmen, blockieren sie, alle Posts müssen von den Admins freigegeben werden – und auch jedes neue Mitglied wird geprüft, bevor es der Gruppe beitreten darf.

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Blick in die Gruppe: In Flohmarkt Kassel werden täglich bis zu 130 Dinge angeboten © Screenshot Facebook

„Wir schauen im Profil nach, in welcher Stadt die Nutzer wohnen“, erklärt der Admin. Wer nie in der Gegend sei, gehöre auch nicht in die regionale Gruppe. Noch wichtiger sei es aber, Spambots fernzuhalten. „In einer offenen Gruppe kann es passieren, dass innerhalb von Minuten 300 Kreditangebote unter allen möglichen Artikeln auftauchen. Da kommst du mit dem Löschen gar nicht hinterher.“ Spambots sind Computerprogramme, die automatisch unerwünschte Werbung posten können. Was sie nicht können: Eingangsfragen geschlossener Gruppen beantworten. Daher fragt Flohmarkt Kassel jeden, der beitreten möchte, ob er das Regelwerk der Gruppe gelesen hat. Gleichzeitig wollen die Admins mit dieser Eingangsfrage darauf hinweisen, wie wichtig ihnen die Regeln sind.

Unter anderem darauf kommt es den Admins an:

Zur Harmonie in der Gruppe hat es außerdem beigetragen, dass die Admins bestimmte Themen in Untergruppen überführt haben: Nun gibt es außerdem Baby und Kleinkinder Flohmarkt Kassel, Flohmarkt für Frauenbekleidung, Schuhe und vieles mehr in Kassel, Wo gibt es in Kassel …? und Tiervermittlung in Kassel und Umgebung. Zwischenzeitlich habe es vor allem Frauen- und Kinderkleidung in der Gruppe gegeben – das habe viele Mitglieder genervt, erzählt Stalljohann. Auch Tier-Angebote waren problematisch: „Ich selbst kenne mich mit Tieren einfach nicht aus“, sagt Stalljohann. Wenn Mitglieder darüber stritten, ob ein Tier artgerecht gehalten worden ist, konnte er nicht einschätzen, wer hier recht hatte und wie er diese Diskussion am besten beenden sollte. Mit den neuen Gruppen sind diese Probleme gelöst: Die Themen werden gebündelt, außerdem gibt es hier Admins, die sich in den jeweiligen Bereichen auskennen.

Diese Tipps gibt Stalljohann anderen Admins:

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