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Mitarbeiter nach Convivo-Insolvenz mit dem Nerven am Ende: „Wir fühlen uns im Stich gelassen“

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Von: Kathrin Meyer

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Standort im Forstfeld: Für Mitarbeiter, Bewohner und Angehörige ist die Situation gleichermaßen belastend.
Standort im Kasseler Stadtteil Forstfeld: Für Mitarbeiter, Bewohner und Angehörige ist die Situation gleichermaßen belastend. © Pia Malmus

Nach der Insolvenz der Convivo-Gruppe ist die Zukunft des Seniorenhauses Lindenberg weiter ungewiss. Die Mitarbeiter in Kassel fühlen sich im Stich gelassen.

Kassel – Ende Januar hatte die Convivo-Gruppe aus Bremen Insolvenz angemeldet. Davon betroffen ist auch das Seniorenhaus auf dem Lindenberg im Stadtteil Forstfeld. Viele der zur Gruppe gehörenden Heime haben mittlerweile neue Eigentümer. Im Kasseler Haus allerdings ist die Verunsicherung bei Mitarbeitern und Bewohnern groß. Wie es weitergeht, ist unklar.

„Der Informationsfluss ist gleich null“, sagt Betriebsrätin Claudia Glagow. „Man bekommt auf Anfragen keine Antworten – weder von Convivo noch vom Insolvenzverwalter.“ Obwohl der Insolvenzverwalter angekündigt habe, dass man alle Standorte besuchen wolle, sei bisher noch niemand in Kassel gewesen. Lediglich ein Interessent sei bisher vor Ort gewesen und hätte sich die Immobilie angeschaut, so Glagow.

Convivo-Insolvenz: Kündigungen am Lindenberg (Kassel) in allen Bereichen

Dabei habe es sich allerdings um einen Militärdienstleister mit Sitz in Dubai gehandelt, der in der Pandemie Test- und Impfzentren betrieben habe und jetzt auch im Pflegemarkt ansässig werden wolle. Daraus sei aber nichts geworden. Womöglich habe das Profil ohnehin nicht so ganz gepasst, so Glagow. Die Information habe sie allerdings auch nur bekommen, weil sie selbst nachgefragt habe.

Mittlerweile gibt es am Lindenberg Kündigungen in allen Bereichen – Pflege, Haustechnik, Reinigungsdienst, Verwaltung. „Die Verunsicherung und Frustration bei den Mitarbeitern ist immens“, sagt Glagow. Je mehr Zeit vergehe, desto schlimmer werde es. Die Stadt und verschiedene Parteien hätten Unterstützung zugesagt, aber bisher sei nichts geschehen.

Hoffnung für Mitarbeiter in Kassel? „Es gibt aussichtsreiche Gespräche“

„Wir fühlen uns im Stich gelassen“, schildert ein Mitarbeiter die Situation, die für Mitarbeiter, Bewohner und Angehörige gleichermaßen belastend sei. Sozialdezernentin Ilona Friedrich habe im Finanzausschuss gesagt, dass die Stadt, wenn es denn zur Abwicklung des Heims komme, bei der Unterbringung der Bewohner unterstütze. „Aber was mit uns Mitarbeitern passiert, das interessiert offenbar nicht“, sagt Glagow.

Im Seniorenhaus Lindenberg gibt es derzeit 92 Pflegeplätze. Belegt sind aktuell allerdings nur 72. Solange die Zukunft des Heimes nicht geklärt ist, gibt es von der Heimaufsicht einen Belegungsstopp. „Die Zahl der Anfragen nach Plätzen ist hoch“, sagt Glagow. Allein im angegliederten Betreuten Wohnen würden aktuell acht Bewohner warten, ins Heim umziehen zu können. Auch die Frage nach Kurzzeitpflegeplätzen sei groß. Auf Anfrage hieß es vom Insolvenzverwalter zum Kasseler Standort: „Es gibt aussichtsreiche Gespräche, diese sind aber noch nicht final abgeschlossen.“

Hessisches Landesamt: Insolvenz soll nicht zum Verlust der Wohnungen führen

Eine Sprecherin des Hessischen Landesamtes für Gesundheit und Pflege, das für die Heimaufsicht zuständig ist, bestätigte ebenfalls, dass der Insolvenzverwalter mitgeteilt habe, es würden Gespräche mit Interessenten mit dem Ziel einer Übernahme geführt. Grundsätzlich sei auch der Aufsichtsbehörde sehr daran gelegen, dass eine mögliche Insolvenz nicht zum Verlust der Wohnung für die Bewohner führe. Eine Übernahme durch einen anderen Betreiber sei daher in der Regel ein sinnvolles Vorgehen. Ein Betreiberwechsel oder eine Betriebseinstellung waren aber zuletzt noch nicht gemeldet gewesen. Insofern könne hierzu keine Aussage getroffen werden.

Zuletzt 120 Mitarbeiter

Das Seniorenhaus auf dem Lindenberg wurde kommunal betrieben, bis die Gesundheit Nordhessen Holding (GNH) die Anlage 2020 an das Unternehmen Convivo aus Bremen verkaufte. Die GNH trennte sich damals von den Heimen in Forstfeld und Fasanenhof. Die Angestellten am Lindenberg hatten bis Ende 2020 fünf Prozent ihres Gehalts in die Zukunftssicherung der Anlage gezahlt. Nach HNA-Informationen waren im Kaufvertrag Kündigungen bis 2025 ausgeschlossen worden. Auch gab es am Lindenberg eine Standortsicherung bis 2035. All das könnte jetzt hinfällig sein. Convivo gehören deutschlandweit rund 100 Pflegeeinrichtungen. In Kassel waren zuletzt 120 Mitarbeiter im Forstfeld und im ambulanten Dienst beschäftigt. Pläne im Fasanenhof waren aufgrund gestiegener Baukosten auf Eis gelegt worden. Im Landkreis betreibt Convivo ein Heim in Naumburg.

Mit dem Insolvenzverwalter stehe man in Kontakt und für Beratung zu Verfügung. Diese müsse jedoch von Betreiber oder Insolvenzverwalter eingefordert werden. Wie es mit dem brachliegenden Convivo-Gelände am Fasanenhof weitergeht, ist ebenfalls offen. Da auf dem Grundstück auch eine Seniorenresidenz mit Eigentumswohnungen ansässig ist, waren bisherige Pläne daran gescheitert, dass ihnen alle Eigentümer zustimmen mussten. (Kathrin Meyer)

Im Sommer 2020 investierte die Convivo-Gruppe noch 30 Millionen Euro in den Standort Kassel.

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