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Convivo-Insolvenz: Bewohner und Mitarbeiter bangen um Zukunft des Heims in Kassel

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Von: Kathrin Meyer

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Wurde 2020 von der Gesundheit Nordhessen verkauft: Convivo, der Betreiber des Seniorenheims auf dem Lindenberg, ist insolvent.
Wurde 2020 von der Gesundheit Nordhessen verkauft: Convivo, der Betreiber des Seniorenheims auf dem Lindenberg, ist insolvent. © Pia Malmus

Nach der Insolvenz der Bremer Convivo-Gruppe, die auch Seniorenheime in der Region betreibt, fordern Gewerkschaft und Politik eine schnelle Lösung für das Heim auf dem Lindenberg im Stadtteil Forstfeld.

Kassel – „Unsere Mitarbeiter sind motiviert und setzen alles daran, dass es weitergeht“, sagt Claudia Gladow, Betriebsratsvorsitzende im Seniorenhaus am Lindenberg. Die Insolvenz von Convivo sei für das Kasseler Heim besonders tragisch. Viele der Bewohner hätten bei der Schließung der früheren städtischen Seniorenwohnanlage am Fasanenhof ins Forstfeld umziehen müssen. Die Sorge, dass man erneut die vertraute Umgebung verlassen müsse, sei bei vielen Bewohnern daher groß.

Auch das Argument von Convivo, dass die finanziellen Probleme aufgrund von niedrigen Belegungszahlen entstanden seien, könne sie nicht nachvollziehen. Die Nachfrage nach Pflegeplätzen am Lindenberg sei groß. Auch gebe es unter den Mitarbeitern eine hohe Quote an Fachkräften. Viele der 120 Mitarbeiter hätten nach dem Verkauf auf fünf Prozent ihres Gehalts verzichtet, das zur Zukunftssicherung des Heimes eingesetzt werden sollte.

Nach HNA-Informationen waren im Kaufvertrag von 2020 zwischen der Gesundheit Nordhessen (GNH) und Convivo Kündigungen bis Ende 2025 ausgeschlossen worden. Auch gab es am Lindenberg eine Standortsicherung bis 2035. Das alles ist jetzt womöglich hinfällig.

Zu Beginn der Woche hatte die Bremer Unternehmensgruppe Convivo einen Insolvenzantrag gestellt. Zum Insolvenzverwalter für die Convivo Kassel GmbH ist der Bremer Anwalt Malte Köster bestellt worden. Auf Anfrage heißt es: Im Moment verschaffe man sich ein Bild vor Ort, um im Anschluss die Mitarbeiter über die bevorstehenden Schritte zu informieren. Gemeinsam mit der Geschäftsleitung seien zentrale Maßnahmen eingeleitet worden, um die pflegerische Versorgung weiterhin vollumfänglich sicherzustellen.

Nach Angaben von Convivo sind die Löhne und Gehälter der Mitarbeiter über das Insolvenzgeld für die Monate Januar bis März gesichert. „Die Unterstützung des Prozesses hat für uns oberste Priorität“, so Torsten Gehle, gelernter Krankenpfleger und geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensgruppe. Convivo und die Branche befinden sich im Spannungsbogen einer national bestehenden Pflegestrukturproblematik, benennt das Unternehmen die Gründe für die finanziellen Probleme.

Der erhebliche Fachkräftemangel und verdoppelte Krankenstände aufgrund hoher Belastungen in der Pandemie hätten zu niedrigeren Belegungszahlen geführt. Der notwendige Einsatz von Personal aus Zeitarbeitsdienstleistern verursache zusätzlich überproportionale Kosten. Die Kostensteigerung der Pflegereform führe zu einem höheren Anteil Pflegebedürftiger mit staatlicher Unterstützung. Dieser Anteil sei für Betreiber von Pflegeeinrichtungen nicht vollständig refinanziert. Weitere Faktoren seien steigende Energie- und Sachkosten. Neben dem Verkauf von Standorten habe das Unternehmen versucht, Beteiligungspartner zur Stabilisierung des Geschäftsbetriebs einzubinden.

Nach erst erfolgreichen Gesprächen seien wegen der verschärften Marktlage Anfang 2023 die angestrebten Beteiligungen abgesagt worden. Auch das Einbringen privater Mittel Torsten Gehles hätten die Belastungen nicht kompensieren können.

Als ausgesprochen bitter bezeichnet Heike Grau, Gewerkschaftssekretärin von Verdi Nordhessen, die Insolvenz. Die Beschäftigten hätten viel geleistet, um eine gute Pflege in schwierigen Zeiten sicherzustellen. Dass sie sich nun um ihre Arbeitsplätze sorgen müssen, sei wie ein Schlag in die Magengrube.

Einmal mehr zeige sich, dass Gewinnmaximierung und eine gute Gesundheitsversorgung nicht zusammenpassen, so Ralph Stiepert, Bezirksvorsitzender Verdi Nordhessen. Die Stadt Kassel sei nun gefordert, mit dafür Sorge zu tragen, dass die Pflegeheim- und Arbeitsplätze erhalten bleiben. Auch CDU und Linke fordern in Pressemitteilungen eine schnelle Absicherung des Heimes.

„Die Zuständigkeit liegt derzeit bei den Insolvenzverwaltern. Hier bleibt abzuwarten, wie das weitere Verfahren gestaltet wird. Wir werden das genau beobachten und unterstützen, um bestmögliche Lösungen zu finden“, so Bürgermeisterin Ilona Friedrich auf Anfrage.

„Aus der Vergangenheit liest man Berichte, in denen die damals kommunalen Senioreneinrichtungen in den Himmel gelobt wurden“, sagt die Betriebsratsvorsitzende Claudia Gladow. Man würde sich wünschen, dass auch jetzt die Stadt Kassel eingreife, um den Standort zu sicher. „Mit menschlichen Bedürfnissen sollte man kein Geld machen.“ (Kathrin Meyer)

Convivo

Convivo hat seinen Ursprung in Bremen. Zur Gruppe gehören mehr als 100 Pflegeeinrichtungen vorwiegend im Nordwesten Deutschlands. Insgesamt sind bei Convivo 4800 Mitarbeiter beschäftigt, in Kassel 120. Dort betreibt Convivo den Standort im Forstfeld und bietet ambulante Dienste an. Die Pläne im Fasanenhof sind aufgrund gestiegener Baukosten auf Eis gelegt worden. Im Landkreis hat Convivo noch ein Heim in Naumburg.

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