Der Schulträger äußert sich dazu vage: „Die Stadt Kassel erkennt den Platzbedarf in den Schulen an“, heißt es auf HNA-Anfrage. Die Suche nach raschen und adäquaten Lösungen werde von der Stadt „mit hoher Priorität vorangetrieben“. Im Rathaus favorisiere man die Anmietung von Räumen, da temporäre Ersatzbauten „hohe Kosten“ verursachten. Sie seien „nicht kurzfristig darstellbar“ und mangels verfügbarer Flächen „nur mit erheblichen Einbußen ohnehin beengter Freiräume“ für Schüler umsetzbar“. Verhandlungen für eine Anmietung liefen bereits, so ein Stadtsprecher. Auskunft über einen Standort gab er nicht. Nach Informationen aus dem FG soll der künftige Lernort von beiden Schulen in 15 Minuten zu Fuß erreichbar sein.
Raumnot an Schulen wurde am Rande auch im jüngsten Schulausschuss thematisiert. Sie gehe davon aus, dass mindestens ein Drittel der 3500 in Kassel erwarteten Geflüchteten aus der Ukraine Kinder sind, sagte die kommissarische Schuldezernentin Ilona Friedrich. Es sei ihr ein Anliegen, dass diese Kinder in Kassel Schulen und Kitas besuchten. „Räumlich wird es für uns eine Herausforderung.“
Schüler und Lehrer schlagen Alarm
Schüler und Lehrer schlagen Alarm: Das Problem Raumnot an Kasseler Gymnasien habe sich seit Langem angebahnt, aber eine gute Lösung sei noch nicht in Sicht. „Wir stehen vor einem Desaster mit Ansage“, sagt Boris Krüger, Lehrer an der Albert-Schweitzer-Schule und nordhessischer Bezirksvorsitzender des Philologenverbands.
Nach den Sommerferien werde es an drei Kasseler Gymnasien, der Albert Schweitzer-Schule, dem Friedrichsgymnasium und dem Goethe-Gymnasium, aufgrund der Umstellung von G 8 auf G 9 zu massiven Raumproblemen kommen. Mittelfristig, aber noch nicht zum kommenden Schuljahr, gebe es Lösungen: Das FG ist von der Stadt in das GWGpro-Programm für Schulneubauten aufgenommen worden und bekommt einen Erweiterungsbau. Das Goethe-Gymnasium könne im Laufe des Jahres 2023 die sanierten Räumlichkeiten des Abendgymnasiums, das aus dem Goethe-Gymnasium auszieht, übernehmen.
Düster sehe es jedoch für die Albert-Schweitzer-Schule aus, so Krüger: Platzmäßig beengt, bestehe nur die Möglichkeit, durch Aufstockung der bestehenden Gebäude die dringend benötigten neuen Räume zu gewinnen. Das sei aufwendig, kostet viel Geld und sei im Stadthaushalt noch nicht vorgesehen, so Krüger.
Hatte noch im Herbst die damalige Schuldezernentin Ulrike Gote angekündigt, dass Holzersatzbauten auf oder an Schulgeländen kurzfristig für Platz sorgen sollen, so sei von diesem Kompromiss für die Gymnasien jetzt keine Rede mehr. Das Argument: zu teuer. Stattdessen soll ein Gebäude angemietet werden, um dort ganze Jahrgangsstufen des FG und der AS auslagern zu können.
Die Schüler sehen diese Lösung kritisch. Sie sehen nicht ein, warum die Pläne zum Aufstellen von temporären Klassenräumen auf den Schulhöfen des FG und der ASS verworfen wurden. „Die Stadt entscheidet sich gegen das Wohl der Schüler“, erklären die Schülervertreter am Friedrichsgymnasium, Marietta Geismann, Paul Göckenjan und Peter Kopp, in einer Pressemitteilung.
Zweifel an hohen Kosten
Schon jetzt genüge die Situation am FG nicht mehr den Anforderungen. Unterricht wurde bereits in Räume der Jacob-Grimm-Schule ausgelagert. Bis der Erweiterungsbau, der erst in Jahren bezogen werden kann, Entlastung biete, sei eine Übergangslösung nötig, vor allem angesichts der zusätzlichen Jahrgangsstärke im kommenden Schuljahr.
Die Aussicht auf die Auslagerung eines ganzen Jahrgangs bereitet den Schülern Sorgen. „Wie die Coronapandemie gezeigt hat, lebt Schule zu großen Teilen von dem Kontakt zwischen den Schülern, auch zwischen den Jahrgängen. Es ist sehr bitter, ein Dreivierteljahr vor dem Abitur die Schule verlassen zu müssen“. Umso mehr als in der Abi-Endphase Gespräche mit Lehrern, dem Sekretariat und der Schulleitung besonders wichtig seien. Am 2. März habe ihnen ihre Schulleitung mitgeteilt, dass die Stadt ihre Pläne geändert habe, Ersatzbauten zu errichten. Pavillons seien, „entgegen früheren Aussagen“, nicht finanzierbar. „Dabei nennt die Stadt Kassel einen sehr hohen Preis von 2 Millionen Euro“, so die Schülervertreter. Dieser Gesamtpreis irritiere sie. Ihre Recherchen hätten ergeben, dass es im Landkreis Kassel Beispiele für günstigere Lösungen für die Anschaffung von Schulpavillons gibt. Sie bitten deshalb das städtische Bauamt, seine Kostenberechnung transparent zu erklären.