Er sah dramatische Unfälle und Bomben: Das Gesicht der Kasseler Feuerwehr geht

Ralf Krawinkel, Kassels höchster Einsatzleiter bei der Feuerwehr, wird neuer Chef der Feuerwehr in Potsdam. Vor seinem Abschied spricht er über die schlimmsten Einsätze und wieso Gaffer stören.
Er hat in den vergangenen Jahren viele erschreckende Bilder gesehen. Bei Bränden und Verkehrsunfällen. Der 48-jährige Ralf Krawinkel erinnert sich zum Beispiel an einen Unfall in der Heßbergstraße. Dort kamen im August 2007 drei Menschen ums Leben, nachdem ein betrunkener Autofahrer mit seinem Wagen in die Gegenfahrbahn geraten und mit einem Polo frontal zusammengestoßen war. „Das war sehr dramatisch“, sagt Krawinkel.
Auch wird er den Brand in einer Dachgeschosswohnung nicht vergessen, bei dem im Februar 2015 ein vierjähriger Junge und seine einjährige Schwester ihr Leben verloren hatten.
Feuerwehrmann Krawinkel war bei vielen großen Einsätzen in der Stadt Kassel vor Ort. Entweder als Einsatzleiter oder in seiner Funktion als Pressesprecher der Berufsfeuerwehr. Die verlässt der Brandrat jetzt nach 22 Jahren. Er übernimmt Anfang Mai die Leitung der Feuerwehr in Potsdam.
Krawinkel hatte den Wunsch nach Veränderung
In Kassel habe er eine „bunte und spannende Zeit“ gehabt, die ihn geformt habe. Er kümmerte sich auch um vorbeugenden Brandschutz und das Personalwesen. Seinen Kollegen habe er viel zu verdanken, sagt Krawinkel.
Im vergangenen Jahr habe er aber den Wunsch nach einer Veränderung verspürt, erzählt der 48-Jährige. Deshalb habe er sich auf die Stelle bei der Feuerwehr in Potsdam beworben. Erfolgreich.
Krawinkel befindet sich in der glücklichen Situation, dass er sein Hobby zum Beruf gemacht hat. 1983 wurde er Mitglied bei der Freiwilligen Feuerwehr in Paderborn, seiner Heimatstadt. Die Mitgliedschaft besteht übrigens bis heute.

Nach seinem Maschinenbau-Studium in Paderborn begann er im Oktober 1996 seine Ausbildung bei der Kasseler Berufsfeuerwehr zum gehobenen feuerwehrtechnischen Dienst. Er wurde zunächst Brandoberinspektor, vor zwei Jahren dann Brandrat und damit höchster Einsatzleiter im Stadtgebiet.
Er hatte viel mit Bombenentschärfungen zu tun
Gibt es in Kassel besondere Herausforderungen? Durch die Folgen der Angriffe im Zweiten Weltkrieg habe er mit vielen Bombenentschärfungen zu tun gehabt. Allein im vergangenen Jahr gab es deshalb drei Großeinsätze. Angst habe er deshalb aber nie gehabt. „Ich habe den Experten vom Kampfmittelräumdienst immer vertraut.“
Welche Voraussetzungen muss ein Feuerwehrmann mitbringen? „Das Fundament ist eine gute und fundierte Ausbildung“, sagt Krawinkel. In Stresssituationen müsse man auf bewährte Verhaltensmuster zurückgreifen können.
Zudem dürfe man nie den Respekt vor einer Gefahrensituation verlieren und müsse immer wachsam sein. „Wenn man das alles beachtet, ist das eine gute Voraussetzung, um heile aus den Einsätzen zu kommen.“ Zum Glück sei es ihm bislang erspart geblieben, dass ein Kollege bei einem Einsatz ums Leben gekommen ist.
Schaulustige sind immer hartnäckiger und störender
Eine Entwicklung hat er in den vergangenen 22 Jahren miterlebt. „Die Schaulustigen sind hartnäckiger geworden“, sagt Krawinkel. Mittlerweile tummelten sich auch Privatpersonen bei Einsätzen, um das „erste und beste Foto“ zu bekommen. „Das beeinflusst schon das Einsatzgeschehen.“
Der 48-Jährige erzählt von einem Unfall auf der Frankfurter Straße, als eine Schwangere von der Feuerwehr aus einem Auto befreit werden musste. Die Frau habe vor Schmerzen geschrien. Eine Familie habe das vom Bürgersteig aus alles beobachtet. Damit die Kinder die Schreie des Opfers nicht mitbekommen, hätten die Eltern ihnen die Ohren zugehalten. Und weiter zugeguckt.
Mit solchen Einsätzen wird er in Kassel nichts mehr zu tun haben. Er werde aber immer wieder zurückkommen, allein weil seine beiden Kinder noch in Kassel leben, sagt Krawinkel. Der Brandrat ist geschieden und lebt in einer neuen Beziehung. „Dann komme ich aber als Tourist, der die Zeit hier genießen kann.“