Gesundheitsamt von Stadt und Kreis Kassel wegen Corona am Limit
Schuleingangsuntersuchungen müssen vorerst ausfallen
Die 156 Mitarbeiter des Gesundheitsamtes von Stadt und Kreis Kassel sind derzeit voll mit der Bekämpfung der Corona-Pandemie beschäftigt. Weil die Nachverfolgung der Infektionsketten so viele Kräfte bindet, werden andere wichtige Aufgaben nicht erledigt.
Kassel - So liegen die gesetzlich garantierten Schuleingangsuntersuchungen brach. Zudem warten Menschen auf medizinische Gutachten, die sie etwa für die Auszahlung von Sozialhilfeleistungen benötigen.
Die Stadt Kassel bittet um Verständnis für die wegen der Corona-Lage hohe Auslastung des Gesundheitsamtes. Aktuell gebe es eine klare Priorisierung der Aufgaben. Durch einen Erlass des Hessischen Sozialministeriums von Ende Oktober sei es den Gesundheitsbehörden gestattet worden, „alle Pflichtaufgaben, die nicht der medizinischen Gefahrenabwehr dienen“, bis Jahresende nachrangig zu bearbeiten.
Diese Tatsache wurde unter anderem für einen 55-jährigen Sozialhilfeempfänger aus Kassel zum Problem. Er benötigt regelmäßig Gutachten, um wegen seiner gesundheitlichen Einschränkungen entsprechende Mehrleistungen beim Sozialamt beantragen zu können. Ihm sei mitgeteilt worden, dass derzeit keine Begutachtungen stattfänden. Der Mann hat dafür wenig Verständnis: „Bei Sozialleistungen handelt es sich nicht um Pillepalle, sondern existenzielle Dinge.“
Auf die Frage, was Betroffene tun sollen, um etwa für den Lebensunterhalt notwendige Gutachten termingerecht vorlegen zu können, sagte ein Stadtsprecher, dass den Behörden die Lage im Gesundheitsamt bekannt sei.
Aber was bedeutet die Situation für Kinder, die im nächsten Sommer eingeschult werden? Immerhin garantiert das Hessische Schulgesetz jedem Kind das Anrecht auf die Untersuchung, bei der die Schulfähigkeit festgestellt wird. So sollen die Auswirkungen sozialer Ungleichheit auf die Gesundheit der Kinder gemildert werden.
Schulamtsleiterin Annette Knieling spricht von einer „besonderen Situation, aus der sich eine besondere Verantwortung für die Lehrkräfte und das schulische Unterstützungssystem ableitet.“ Das Gesundheitsamt habe ihr zugesagt, dass ausstehende Untersuchungen nachgeholt würden, sobald dies wieder möglich sei. Von den Kindern, für die bereits im Vorfeld der Einschulung ein Förderbedarf diagnostiziert wurde, seien etwa zwei Drittel schon untersucht worden. (Bastian Ludwig)