Getrennter Unterricht für Mädchen und Jungs in Kassel

Kassel. Das Oberstufengymnasium Herderschule war das erste Gymnasium in Kassel, das 1955 neben vielen weiteren pädagogischen Reformen die Koedukation, also den gemeinsamen Unterricht von Jungen und Mädchen, einführte.
Da war die Schule, die sich heute an der Maulbeerplantage befindet noch in Räumen der Heinrich-Schütz-Schule an der Freiherr-vom-Stein-Staße untergerbacht. An den anderen Realschulen und Gymnasien in Kassel herrschte - abgesehen von Ausnahmen - strikte Geschlechtertrennung.
Erst danach entstanden nach und nach gemischte Schulen: aus den Einrichtungen für Knaben wie der Goethe-, der Albert-Schweitzer-Schule und des Wihelmsgymnasiums oder aus den Mädchenschulen Luisen-, Jacob-Grimm- und Heinrich-Schütz-Schule (Malwyda-von-Schule).
Die Geschichte der Geschlechtertrennung an den Schulen gestaltete sich wechselvoll. Immer wieder wurden neue reformerische Vorstöße unternommen, auch den Mädchen den

Schulbesuch zu ermöglichen: mal im Klassenverbund mit Jungen, mal unter sich. An den um 1900 gebauten Bürgerschulen, etwa der Friedrich-Wöhler- oder Carl-Anton-Henschel-Schule, wurden Jungs und Mädchen gemeinsam unterrichtet, entweder in unterschiedlichen Gebäuden oder in einem Haus, aber räumlich getrennt. Das lässt sich noch an der Architektur einiger Schulgebäude erkennen“, sagt der ehemalige Leiter der Schule am Hegelsberg, Stefan Appel: In der Mitte war die Turnhalle und links und rechts die Flügel für Jungs beziehungsweise Mädchen. „Vor dem Zweiten Weltkrieg gab es sogar noch Zäune auf dem Schulhof.“
Die katholische Engelsburg, eine Mädchenschule, war das letzte Gymnasium, das sich 1978 auch männlichen Schülern öffnete. Zehn Jungs machten sich damals erstmals mit den Mädchen gemeinsam auf den Weg zum Abi, erinnert sich Schwester Maria-Theresa. Die Öffnung, die sich „unproblematisch“ gestaltet habe, sei Wunsch der Eltern gewesen. Zwar besuchten heute immer noch mehr Mädchen das Gymnasium, „aber es entwickelt sich in Richtung Hälfte Hälfte.“ (chr)