Bombennacht in Kassel: Glocken-Geläut sorgt für Gänsehaut-Moment

Das Handy zeigt 20.44 Uhr. „Jetzt“, ruft ein Mann aus der Menge. Die Gespräche verstummen. Gleich darauf beginnen die ersten Kasseler Glocken zu läuten. Ein Gedenken an die Bombennacht.
Aktualisiert am 23. Oktober um 13.55 Uhr - Das sind wohl die der Karlskirche, wird vermutet. Weitere Glocken sind hörbar, nach einer Weile ist auch der tiefe Ton der Osanna-Glocke der Martinskirche zu erkennen. Das zeitgleiche Geläut von 44 Kirchen im gesamten Stadtgebiet sorgt bei den knapp 600 Besuchern auf dem obersten Parkdeck der Galeria Kaufhof für einen Gänsehaut-Moment.
Den Menschen, die zu der Aktion des Warenhauses und der HNA gekommen sind, ist bewusst, dass zu diesem Zeitpunkt vor 75 Jahren der Schrecken für die Bewohner von Kassel begann. Um 20.44 Uhr fielen am 22. Oktober 1943 die ersten der insgesamt 400.000 Bomben auf die Stadt. 10.000 Menschen kamen allein in dieser Nacht ums Leben.
Vom obersten Parkdeck aus sieht man unter anderem die Türme der Martinskirche, der Lutherkirche, der Karlskirche, der Elisabethkirche und von St. Familia. Mit dem gemeinsamen Geläut der Glocken von 33 evangelischen und elf katholischen Kirchen sendet Kassel an diesem Montagabend zum 75. Jahrestag der Bombennacht eine unüberhörbare Mahnung zum Frieden aus. Eine Besonderheit, erklingt traditionell zur jährlichen Erinnerung an die Bombennacht doch nur die neue Osanna-Glocke der Martinskirche. Ihre Vorgängerin ist untrennbar mit dem Geschehen in dieser Nacht verbunden. Die alte Osanna-Glocke, die 1818 von den Henschel-Werken aus einer noch älteren Glocke neu gegossen worden war, stürzte in der Bombennacht ab und zerschellte.
Nach zehn Minuten verstummt das stadtweite Trauergeläut, die Glocken hören auf zu läuten. In Kassel kehrt wieder Ruhe ein. Ganz anders vor 75 Jahren: Da fing das Leid der Menschen zu diesem Zeitpunkt gerade erst an.
Sirenengeheul störte Glockengeläut
Das Glockengeläut zum 75. Jahrestag der Kasseler Bombennacht ist am Montagabend durch eine Art Sirenengeheul gestört worden. Nach Informationen unserer Zeitung soll eine einzelne Person von einem Balkon am Opernplatz aus die Geräuschkulisse verursacht haben. Diese Person habe nach dem Sirenenton einen Text verlesen und mit Megafon verbreitet, während in direkter Nachbarschaft knapp 600 Menschen auf dem obersten Parkdeck der Galeria Kaufhof das Trauergeläut zum Gedenken an die Bombennacht verfolgten.
Wie die Kasseler Polizei auf Anfrage berichtete, sind bei ihr bislang keine Anzeigen wegen der Störung eingegangen. Weil die Sirene und die Megafon-Stimme im Hintergrund auch auf dem Livestream vom Glockengeläut auf HNA.de zu hören sind, hatte es Anfragen nach dem Verursacher gegeben.
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