„Will nur, dass sich die Menschen wohlfühlen“: Friseurin macht Bedürftige mit kostenlosem Haarschnitt glücklich

In der Kasseler Tagesaufenthaltsstätte Panama bietet eine Friseurin ehrenamtlich Waschen, Schneiden, Föhnen an. Und macht damit ihre Kunden glücklich.
Kassel – Für Roland (72) ist es ein rundum guter Tag. Auf dem Speiseplan der Tagesaufenthaltsstätte Panama, wo er Stammgast ist, steht heute nicht nur sein Lieblingsessen Cordon Bleu, sondern er hat sich außerdem auf der Warteliste einen Platz zum kostenlosen Haareschneiden ergattert. Er strahlt. „Jetzt wird’s langsam nötig“, nuschelt er in seinen Bart und fährt sich mit der Hand über den Kopf.
Zwei mal im Monat wird das Badezimmer im Panama, wo sich die Kunden sonst baden und duschen können, in einen kleinen Friseursalon verwandelt. Eine Kasselerin, Mutter von zwei Kindern, angestellte Friseurin in einem Geschäft, hat es sich seit einem Jahr zur Aufgabe gemacht, dem Panama-Klientel, Männern wie Frauen, einen Haarschnitt anzubieten. Das macht sie ehrenamtlich an ihrem freien Tag und möchte dabei anonym bleiben. „Für mich ist es eine Frage von Menschenwürde“, sagt sie zu ihrer Motivation. Sie ist davon überzeugt: Wenn man sich mit einem ordentlichen Kopf wohlfühlt in seiner Haut, dann geht man gleich aufrechter durchs Leben. Das Äußere macht da viel aus. „Ich will nur, dass sich die Menschen wohlfühlen.“
Kassel: Kostenloser Haarschnitt „einfach ein supertolles Angebot für Leute, die kein Geld haben“

Positive Resonanz bekommt sie vielfach gespiegelt. „Das ist einfach ein supertolles Angebot für Leute, die kein Geld haben“, findet Dennis. „Es ist eine nette Art von Nächstenliebe“, sagt der nächste Kunde, ein struwweliger weißhaariger Mann, der im Türrahmen schon geduldig wartet.
„Körperpflege ist mir grundsätzlich wichtig“, sagt Dennis, „egal wie viel oder wenig im Geldbeutel ist.“ Dazu gehöre für ihn die Frisur, sagt der 48-Jährige. Er ist stolz darauf, kein einziges graues Haar zu haben. „Außer im Bart, aber den rasiere ich ja ab.“ Für seine coole Frisur, einen modischen Undercut unter dem dunklen, welligen Haar, hat er genaue Vorstellungen: „Nicht zu kurz, bitte“, sagt er. Die Friseurin lacht: „Das würde ich nie machen. Wir kennen uns doch.“
Kassel: Kostenloser Friseurbesuch ein Stück Geselligkeit

Auch der nächste Kunde, Dirk (51), ist kein Unbekannter im temporären Friseursalon. Einen militärischen Haarschnitt wünscht er sich. „Ich identifiziere mich nicht über die Frisur“, sagt Dirk, aber er lege alles daran, generell sauber und gepflegt zu sein. Auch sein kleines Apartment halte er sauber und fühle sich darin wohl. Gespräche beim Haareschneiden gehören für Dirk übrigens dazu: „Wenn man sich was zu sagen hat, warum nicht?“ Der Friseurbesuch ist auch ein Stück Geselligkeit und für viele der Kunden das Highlight im Alltag.

„Wow, ich fühle mich gut“, sagt Dirk, als er den Frisierumhang ablegt. „Und genau das sollen sie auch“, sagt die Friseurin, während sie die Haare am Boden zusammenkehrt.
Kassel: Aufrichtige Dankbarkeit für Friseur-Aktion im Panama
Fünf Kunden schafft sie in den zwei Stunden im Panama. Frauenhaarschnitte dauern etwas länger. Die aufrichtige Dankbarkeit der Kunden und auch die sichtlich gute Laune, die diese nach ihrer Behandlung haben, seien ihr größter Lohn.

Auch der frischfrisierte Roland macht unmittelbar Eindruck: Als er sich nach dem Friseurbesuch im Panama an den Esstisch zu seinen Tischnachbarn setzt, um sich seinem Cordon Bleu zu widmen, gibt es ein großes Hallo: „Was fürn schicker Kerl“, finden die anderen. „Pass nur auf, dass du dich jetzt vor den Frauen retten kannst.“ (Christina Hein)

Die Preissteigungen bedrohen soziale Einrichtungen wie das Panama in Kassel.