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Umstrittener Wechsel: Ex-Grünen-Politiker aus Kassel wird Lobbyist für Bayer

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Von: Barbara Will

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Bislang machte Matthias Berninger Lobby-Arbeit für den Süßwarenhersteller Mars. Nun soll er für Bayer unter anderem dafür sorgen, dass der Pflanzenschutzwirkstoff Glyphosat, der im Verdacht steht, Krebs zu erzeugen, ein besseres Image bekommt.
Bislang machte Matthias Berninger Lobby-Arbeit für den Süßwarenhersteller Mars. Nun soll er für Bayer unter anderem dafür sorgen, dass der Pflanzenschutzwirkstoff Glyphosat, der im Verdacht steht, Krebs zu erzeugen, ein besseres Image bekommt. © DPA/NH

Als Bundestagsabgeordneter der Grünen kämpfte Matthias Berninger für Umwelt und Verbraucher. Nach seinem Engagement bei Mars wechselt der Nordhesse nun als Lobbyist zu Bayer. Viele sind entsetzt.

„Meine Biografie ist glaubwürdig“, hat Matthias Berninger einmal im Gespräch mit dieser Zeitung gesagt. Das war 2006 und der damalige Grünen-Politiker hatte gerade den Abschied von seinem Bundestagsmandat verkündet, um zum Schokoriegel-Hersteller Mars zu wechseln. In Berningers Augen kein Widerspruch. Mars wolle etwas auf dem Themenfeld Ernährung und Gesundheit bewegen, sagte er.

Nun hat der 47-Jährige, der in Kassel geboren wurde und heute in den Vereinigten Staaten lebt, wieder einen neuen Posten, der eingeschworene Grüne ins Grübeln bringen dürfte. Seit Jahresbeginn ist er in den USA Cheflobbyist für den Chemie- und Pharmakonzern Bayer – mit Dienstsitz in Washington und hoch genug in der Firmenhierarchie angesiedelt, um direkt an Bayer-Chef Werner Baumann zu berichten. Für Gesprächsstoff ist gesorgt: Berninger wird auch Landschaftspflege für den umstrittenen Pflanzenschutz-Wirkstoff Glyphosat betreiben, der im Verdacht steht, Krebs zu erregen. Berninger sei „der richtige Mann zur richtigen Zeit am richtigen Ort“, twitterte die Bayer-Pressestelle im Dezember.

Wissen um den Politikbetrieb bringt Berninger allerdings mit. Mit 23 Jahren zog er 1994 für Bündnis 90/Die Grünen in den Bundestag ein, ein politischer Senkrechtstarter, der Chemie und Politologie in Kassel studiert, 150 Mark Bafög im Monat bekam und in einem Fahrradladen jobbte.

Für die Grünen unterwegs: Matthias Berninger vor seinem Einzug in den Bundestag 1994.
Für die Grünen unterwegs: Matthias Berninger vor seinem Einzug in den Bundestag 1994. © Jörg Landelmé/Archiv

In Hessen hatte er im Gemeinderat im heimatlichen Ahnatal und im Kreistag Kassel gesessen, in Bonn fand er sich in einer Fraktion mit Joschka Fischer wieder – der ihm wegen seiner Unerfahrenheit von der Kandidatur abgeraten haben soll.

In Bonn und Berlin ging es steil aufwärts. Mit 29 Jahren war Berninger Parlamentarischer Staatssekretär im Ministerium für Verbraucherschutz in der rot-grünen Regierung Schröder. Ein Amt, das er vier Jahre, von 2001 bis 2005 innehatte. Der Kontakt zur nordhessischen Basis blieb, der Wahlkreis Kassel auch. Mit Verbraucherministerin Renate Künast brutzelte er im Wahlkampf 2005 Möhrenpuffer in der Kasseler Markthalle, schließlich hatte das Ministerium eine Initiative für eine neue Ernährungsbewegung verkündet.

Wie Fischer zählte sich auch Berninger zu dem eher pragmatischen Flügel der Grünen, den Realos, und sah über die Fraktionsgrenzen hinaus. In der sogenannten Pizza-Connection lotete er in den 1990er-Jahren mit anderen jungen Unions- und Grünen-Politiker die Möglichkeiten einer schwarz-grünen Koalition aus. Das erste Treffen fand in einem italienischen Restaurant statt.

Als Berninger sich 2007 aus der Politik zurückzog, war er wirtschaftspolitischer Sprecher seiner Fraktion und zudem mit Evelin Schönhut-Keil Landessprecher der hessischen Grünen. Heute hat der mehrfache Vater Berninger neben dem deutschen auch einen US-Pass. Ob er noch Mitglied bei den Grünen ist, ist ungeklärt. Die Partei macht wegen des Datenschutzes keine Angaben.

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