Betrug in Corona-Testzentren: Mann aus Kassel muss ins Gefängnis

Weil er mit Corona-Testzentren in Kassel, Leipzig und Braunschweig 1,9 Millionen Euro ergaunerte, muss ein Kasseler nun in Haft.
Kassel - Wegen gewerbsmäßigen Betruges in Coronavirus-Testzentren in Kassel, Leipzig und Braunschweig wurde ein 28-Jähriger infolge von Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Kassel zu einer Haftstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Die 2. Strafkammer des Landgerichts befand ihn für schuldig, mit falschen oder tatsächlich nie erbrachten Coronavirus-Schnelltests die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) in Hessen, Niedersachsen und Sachsen um insgesamt 1,95 Millionen Euro betrogen zu haben. Vorsitzender Richter Matthias Besson stellte in seiner Urteilsbegründung fest, die Bande habe von Anfang an allein das Ziel gehabt, sich mit den Testzentren große Summen zu ergaunern. Vermutlich sei in dem Testzentrum in Braunschweig tatsächlich kein einziger Test ausgeführt worden. Trotzdem wurden der KV 16.000 Tests gemeldet und mindestens 230.000 Euro zu Unrecht kassiert.
Der Angeklagte hatte sich als ahnungsloses Werkzeug seiner Hintermänner dargestellt; dem folgte die Kammer nur bedingt: „Er war nicht das Gehirn, aber nur er hatte Zugriff auf die Konten“, sagte Besson. Ohne ihn hätte die Betrugsmasche daher nicht funktioniert.
Kasseler Coronatest-Betrüger: Auch wegen Gründungsschwindel verurteilt
Der Angeklagte, ein im Iran geborener Kurde, war 2011 nach Deutschland gekommen und war wegen seiner guten Sprachkenntnisse in verschiedenen kurdischen Dialekten wohl für die eigentlichen Drahtzieher des Betrugs interessant.
2019 und 2020 hatte er als Geschäftsführer zwei GmbH gegründet, deren Ziel eigentlich die Auslieferung von Bestellungen bei Amazon war. Die jeweils eingezahlten 12 500 Euro Stammkapital hatte er stets noch am selben Tag wieder abgehoben. Deshalb war er gestern auch wegen Gründungsschwindel verurteilt worden.
Im März 2021 kamen die „Partner“ des Angeklagten auf die Idee, mit Corona-Testzentren das große Geld zu machen. Die Service GmbH des Angeklagten wurde dafür angemeldet, eine Handvoll Mitarbeiter erhielt in einer Kaufunger Arztpraxis eine Schulung für die Tests (Besson: „Maximal eine Viertelstunde“) und am 7. April 2021 konnte es losgehen.
Schon in den ersten Stunden wurde 4000 Tests gezählt, ein Ding der Unmöglichkeit bei maximal zehn möglichen Tests pro Mitarbeiter und Stunde. Im ersten Monat wurde 40.000 Tests abgerechnet, von denen kein einziger Test ordnungsgemäß ausgeführt wurde. Knapp 552.000 Euro überwies die KV aufs Konto der GmbH. Schon am 5. Mai wurde das Zentrum nach Kontrollen von RP und Gesundheitsamt wegen gravierender Mängel geschlossen. Trotzdem wurden für den Mai nochmals 737.000 Euro für 55.000 Tests abgerechnet.
Corona-Testzentrum war bereits geschlossen
Nach demselben Muster ging es auch bei den Mitte Mai – da war das Kasseler Zentrum schon geschlossen – in Leipzig und Braunschweig eröffneten Zentren zu. Am Ende, so Besson, seien knapp zwei Millionen Euro zu Unrecht auf die Konten der Betrüger überwiesen worden.
Nur weil die Banken wegen des Verdachts auf Geldwäsche kein Geld mehr auszahlten, blieb der Schaden überschaubar. Der Angeklagte war in Baunatal beim Versuch festgenommen worden, hohe Bargeldsummen abzuheben.
Der 28-Jährige, ein zweifacher, nicht vorbestrafter Familienvater, bleibt im Gefängnis, wo er seit knapp einem Jahr in Untersuchungshaft sitzt. Die von ihm selbst in bar vereinnahmten 120.000 Euro wurden eingezogen.
Oberstaatsanwalt Stephan Schwirzer, der in seinem Plädoyer vier Jahre und acht Monate Freiheitsstrafe für den Angeklagten gefordert hatte, geht von vier weiteren Beschuldigten aus, gegen die gesondert ermittelt werde. Vermutlich befänden sich die namentlich bekannten Kurden im Ausland, die Justiz habe derzeit keinen Zugriff auf sie, erläuterte er gegenüber der HNA. (Thomas Stier)
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