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Stadtreiniger in Kassel mit Messer bedroht - Beleidigungen an Tagesordnung

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Von: Florian Hagemann

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Unterwegs mit den Stadtreinigern in Kassel: Die Müllwerker sind am Grünen Waldweg in der Nähe des Roten Kreuz Krankenhauses im Einsatz.
Unterwegs mit den Stadtreinigern in Kassel: Die Müllwerker sind am Grünen Waldweg in der Nähe des Roten Kreuz Krankenhauses im Einsatz. © Koch

Kassel. Ein Fall bei den Stadtreinigern in Kassel sorgt für Aufsehen: Ein Müllwerker wurde kürzlich von einem Autofahrer mit einem Messer bedroht.

Wenn die Stadtreiniger mit ihren Fahrzeugen durch die Straßen fahren, um Kassel sauber zu halten, dann ist immer etwas los. Manchmal treffen die Müllwerker auf Menschen, die ihnen Gutes tun, oft bekommen sie aber auch den Ärger der gestressten Autofahrer zu spüren. Solch ein Fall wie kürzlich ist all die Jahre zuvor aber noch nicht vorgekommen. Er sorgt für Aufsehen und Kopfschütteln. Wir nehmen das mal zum Anlass, um aufzuzeigen, was den Stadtreinigern im Dienst alles widerfährt.

Angriff mit Messer in Harleshausen

Es ist kurz vor Weihnachten, als Jens K. mit seinen Kollegen auf dem Müllwagen unterwegs ist – Alltag: ein Fahrer, zwei Mitarbeiter hinten auf dem Trittbrett, wie die Stelle heißt, auf der die Stadtreiniger während der Fahrt stehen. Jens K. und die Kollegen sammeln gerade Gelbe Säcke in der Rolf-Lucas-Straße ein, Stadtteil Harleshausen.

Der Wendehammer ist zugeparkt, der Müllwagen muss daher rückwärts aus der Straße herausfahren. Das stört einen Autofahrer, der warten muss. Er hupt. Jens K. versucht, ihn zu beschwichtigen: „Bleiben Sie ruhig“, sagt er, während er hinter dem Müllwagen steht und seine Arbeit verrichtet. Doch der Müllwerker kann den Ärger des Autofahrers nicht eindämmen. Im Gegenteil: Der Autofahrer steigt aus seinem Fahrzeug aus, zieht plötzlich ein Cuttermesser, kommt bis auf einen halben Meter an Jens K. heran, lässt sich nicht beruhigen. 

Jens K. gelingt es, langsam zurück zum Fahrzeug zu gehen; die achtsamen Kollegen rufen die Polizei. Erst dann zieht der Autofahrer ab. Ein Zeuge beobachtet die Szenerie.

„Für mich war das ein absolutes Schockerlebnis“, sagt Jens K., der seit einem halben Jahr bei den Stadtreinigern tätig ist. „Ich dachte, man leert nur ein paar Mülltonnen.“ Doch nun das. Immerhin lässt er sich nicht verunsichern. Einen Monat nach dem Vorfall muss er zwar immer noch an jenes Ereignis in der Rolf-Lucas-Straße denken; Albträume oder Angst auf seinen Touren aber hat er nicht.

Die Polizei hat kurz danach den Vorfall aufgenommen, die Stadtreiniger haben Anzeige erstattet, die Ermittlungen wegen Bedrohung und Nötigung laufen. „Bei einer Bedrohung eines Mitarbeiters gilt ein kompromissloses Vorgehen“, sagt Birgit Knebel, Pressesprecherin der Stadtreiniger. Sie verweist darauf, dass es sich um einen Einzelfall handele. Und doch passt er zu dem allgemeinen Eindruck, dass Müllwerker hart im Nehmen seinen müssen.

Personen in öffentlichen Berufen werden immer wieder Ziel von Angriffen. In Frankenberg muss sich aktuell ein Rentner vor Gericht verantworten. Er hatte mutmaßlich Polizeibeamte tätlich angegriffen

Oft Beleidigungen gegen Stadtreiniger

Dass der Alltag eines Müllwerkers kein Zuckerschlecken ist, hat vor allem damit zu tun, dass die Müllwagen für viele Autofahrer ein Hindernis und damit Ärgernis darstellen – erst recht im morgendlichen Berufsverkehr. Darüber können die Stadtreiniger Andreas Mai und Dirk Fleischer Bücher füllen. Mai ist seit mehr als 30 Jahren dabei, Fleischer ist 15 Jahre lang Müllwagen gefahren, nun fungiert er als Personalratsvorsitzender. Sie erzählen von Beleidigungen, von dummen Sprüchen und unschönen Handzeichen. Da ist das Zeigen des Mittelfingers noch eher harmlos.

Andreas Mai: Der Müllwerker ist inzwischen seit mehr als 30 Jahren bei den Stadtreinigern dabei
Andreas Mai: Der Müllwerker ist inzwischen seit mehr als 30 Jahren bei den Stadtreinigern dabei © HNA

Aber das ist nicht alles. Viele Leute fahren sehr dicht auf den Müllwagen auf, er lässt sich so kaum noch beladen. Und dann sind da die, die es nicht abwarten können: die Autofahrer, die einfach über den Bürgersteig fahren oder über Grünstreifen, die durchgezogene Linien auf der Fahrbahn ebenso ignorieren wie Radwege. „Auf der Friedrich-Ebert-Straße ist es besonders schlimm“, sagt Fleischer. Hier ballt sich alles: Radfahrer, Fußgänger, Autofahrer, Tram. Und wenn noch der Müllwagen durchfährt – gute Nacht. „Der Stress ist für alle größer geworden“, hat Mai festgestellt. Jeder will flotter zum Ziel kommen. Einmal hat es ein Jaguarfahrer über den Bürgersteig versucht; seine Ausweichstrecke endete aber vor einer Laterne.

Dirk Fleischer: 15 Jahre lang ist er selbst Müllwagen gefahren. Inzwischen ist er als Personalratsvorsitzender.
Dirk Fleischer: 15 Jahre lang ist er selbst Müllwagen gefahren. Inzwischen ist er als Personalratsvorsitzender. © HNA

Kinder freuen sich über Müllabfuhr

Der Beruf des Müllwerkers hat aber nicht nur Schattenseiten. Es gibt auch angenehme Erfahrungen, über die Mai und Fleischer berichten. Da sind natürlich die Kinder, die der Müllabfuhr immer wieder freundlich zuwinken. Für sie ist die Müllabfuhr das Größte. Mai erzählt, wie manchmal die ganzen Kinder am Fenster des Kindergartens stehen, wenn er und seine Kollegen vorbeikommen.

Einmal hat er ein Kind auf dem Trittbrett mitgenommen, das nächste Mal wollten alle anderen auch. Aber auch Erwachsene sind entgegenkommend. Am Brasselsberg zum Beispiel gibt es eine Seniorin, die den Müllwerkern bei Kälte immer einen Tee anbietet.

Verhalten, wenn ein Müllwagen in der Straße steht

Wussten Sie, dass...

die Stadtreiniger täglich mit annähernd 70 Fahrzeugen im Einsatz sind?

die Müllwerker in der Regel jeden Werktag von 6.30 Uhr bis 15 Uhr unterwegs sind?

bei der Altpapier- und Gelbe-Sack-Sammlung drei Mitarbeiter pro Müllfahrzeug im Einsatz sind? Ein Fahrer und zwei Kollegen, die den Müll einsammeln. Ihnen steht jeweils ein Trittbrett am Ende des Fahrzeugs zur Verfügung, auf dem sie während des Einsatzes stehen können.

ein Müllwerker bis zu 20 Kilometer pro Schicht zu Fuß läuft? Das hat auch damit zu tun, dass die Stadtreiniger einen Vollservice anbieten, das heißt: Sie holen den Behälter vom Standplatz am Haus und bringen sie auch wieder dorthin zurück.

ein Müllwerkerteam pro Tag annähernd 800 Abfallbehälter leeren muss?

die Mitarbeiter somit bis zu 20 Tonnen in das Fahrzeug laden?

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