1. Startseite
  2. Kassel
  3. Harleshausen

100 Jahre altes Haus in Harleshausen wurde abgerissen

Erstellt:

Von: Bastian Ludwig

Kommentare

Stand bis 2008 unter Denkmalschutz: Das um 1930 erbaute Wohnhaus war von einem großen Garten umgeben, was typisch für die Gartenstadt Harleshausen war.
Stand bis 2008 unter Denkmalschutz: Das um 1930 erbaute Wohnhaus war von einem großen Garten umgeben, was typisch für die Gartenstadt Harleshausen war. © Bastian Ludwig

Seit Herbst hatten die Anwohner und der Ortsbeirat Harleshausen für den Erhalt gekämpft. Ohne Erfolg blieb auch der persönliche Einsatz von GWG-Chef Peter Ley. Das um 1930 erbaute Haus im Kaffeemühlenstil an der Seebergstraße 7 wird derzeit abgerissen.

Kassel - Mit der Rüttger-Gruppe plant ein Investor aus Melsungen, auf dem großen Grundstück ein Mehrfamilienhaus zu errichten.

Während der Bauherr den Unmut nicht nachvollziehen kann, reagieren Ortsbeirat und Historiker mit Unverständnis darauf, dass solche Gebäude nicht unter Denkmalschutz stehen.

Als der Bagger vergangene Woche anrückte, wurde damit ein „frühes Zeugnis der Harleshäuser Gartenstadt“ beseitigt, wie der Ortsbeirat befand. Das Gremium hatte im September gefordert, dass die Stadt die Denkmalwürdigkeit des Hauses nochmals überprüft. Immerhin stand das Gebäude auf einem 1600 Quadratmeter großen Areal und entsprach damit dem Gartenstadt-Typus.

Stadt und die Landesdenkmalpflege sahen aber keinen Anlass, ihr Urteil zu revidieren. Dabei hatte das Gebäude von 1988 bis 2008 unter Denkmalschutz gestanden und war dann bei einer Aktualisierung der Kulturdenkmäler in Harleshausen durch das Landesamt für Denkmalpflege nicht mehr als schutzwürdig eingestuft worden.

Letztlich erteilte die Stadt eine Abrissgenehmigung. Nachdem im Februar die Mieter des Hauses ausgezogen waren, konnte der Investor diese nun umsetzen.

Ortsvorsteher Reinhard Wintersperger (SPD) ärgert dies. „Es kommen hier immer wieder solche Fälle vor. Unsere Einwände finden kein Gehör“, so der Stadtteilpolitiker. „Manchmal wundert man sich, was für ein Scheiß unter Denkmalschutz steht und hier wird der Abriss genehmigt“, macht sich Wintersperger Luft. Es gehe den Anwohnern um den Erhalt der Baukultur und die Verhinderung von aus ihrer Sicht überdimensionierten Wohnprojekten. Mit den „meist grob gestrickten Bebauungsplänen aus den 70er-Jahren“ ließen diese sich oft nicht verhindern.

Der Abrissbagger beseitigt die Reste des Hauses: Die Kaffeemühle an der Seebergstraße ist Geschichte. Der Investor hat Pläne für den Neubau eines Mehrfamilienhauses.
Der Abrissbagger beseitigt die Reste des Hauses: Die Kaffeemühle an der Seebergstraße ist Geschichte. Der Investor hat Pläne für den Neubau eines Mehrfamilienhauses. © Bastian Ludwig

Der Kasseler Historiker Christian Presche beobachtet, dass die Denkmalpflege darum bemüht sei, die Zahl der Kulturdenkmäler in Grenzen zu halten. „Man schützt besonders typische Bauten und besonders wegweisende Bauten“, so Presche. Es gebe mehrere Fälle, bei denen er nicht verstehe, warum die Inventarisierungsstelle im Landesamt für Denkmalpflege diese nicht unter Schutz gestellt habe.

Lorin Rüttger, geschäftsführende Gesellschafterin der Rüttger-Gruppe aus Melsungen, kann den Widerstand aus dem Stadtteil nicht verstehen. „Wir schaffen hier dringend nötigen Wohnraum, gerade auch für jüngere Menschen und Familien.“ Genau daran fehle es doch. Die Verdichtung sei zudem politisch gefordert. Auf dem Grundstück könnten viel mehr Menschen leben als bislang.

Noch sei kein Bauantrag eingereicht, man arbeite noch an den Plänen. Auf der Internetseite des Investors werden erste Pläne für ein Mehrfamilienhaus skizziert, nach denen große Teile des Grundstücks bebaut würden. Eine Bebauung mit zwei Vollgeschossen wäre baurechtlich zulässig. 40 Prozent der Grundstücksfläche dürften laut Bebauungsplan bebaut werden.

Das Melsunger Unternehmen hatte das Objekt erworben, nachdem die alleinstehende Eigentümerin 2020 gestorben war. (Bastian Ludwig)

Auch interessant

Kommentare