Heizölhändler aus Kassel warnt: „Wir können nicht alles über Strom regeln“

Das Gebäudeenergiegesetz stellt Hauseigentümer vor die Frage, wie sie künftig heizen wollen. Ein Kasseler Heizölhändler hält es für verantwortungslos, vor allem auf Strom zu setzen.
Kassel - Die Öl- und Gasheizung ist in ihrer heutigen Form ein Auslaufmodell. Mit dem neuen Gebäudeenergiegesetz dürfen ab 2024 bei einem Totalausfall der Heizung nur noch Anlagen neu installiert werden, die mit mindestens 65 Prozent Erneuerbaren Energien betrieben werden. Es sind zwar Ausnahmen für Härtefälle geplant, doch es ist absehbar, dass immer weniger Menschen fossile Brennstoffe benötigen.
Was bedeutet das für den lokalen Heizölhandel? Darüber sprachen wir mit Dirk Lassen-Beck, Geschäftsführer der Alberg Beck GmbH aus Kassel, die vor über 70 Jahren als Kohlenhandel gestartet ist, seit knapp 50 Jahren Heizöl im Großraum Kassel verkauft und inzwischen auch mehrere Tankstellen betreibt.
„Nichts so heiß gegessen, wie gekocht wird“: Kasseler Händler will auch in 20 Jahren noch Heizöl verkaufen
Herr Lassen-Beck, werden Sie in 20 Jahren noch Heizöl verkaufen?
Ich bin da optimistisch. Es wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird.
Was macht Sie da so sicher?
Wir haben ein Produkt, das sich in Krisen bewährt hat. Das haben wir auch in der Corona-Krise erlebt. Nach dem Toilettenpapier gehörte das Heizöl zu den begehrtesten Produkten. Natürlich wird das Heizöl durch die steigende CO2-Bepreisung stetig teurer werden, aber die Ölscheichs haben die Möglichkeit, durch Preissenkungen gegenzusteuern.
Aber was ist mit dem Umweltschutz?
In den nächsten Jahren wird sich der Markt für synthetische, umweltfreundlichere Kraftstoffe entwickeln. Neben dem grünen Wasserstoff sehe ich in den sogenannten E-Fuels die Zukunft – auch für unser Unternehmen. Wir können nicht alles über den Strom regeln.
Heizölhändler aus Kassel sieht Zukunft mit E-Fuels - „Können nicht alles über Strom regeln“
Warum nicht?
Weil dies verantwortungslos wäre, auch weil die Stromnetze noch überhaupt nicht ausreichend ausgebaut sind. Denken Sie allein an die Entwicklung der Elektromobilität. Der Bedarf ist schon jetzt riesig. Wir wollten in unserer Tankstelle in Borken einen Schnelllader für E-Autos installieren. Da hat uns die Eon gebeten, dies nicht zu tun, weil es die Leitungen nicht schaffen würden. Hinzu kommt, dass bei Strommangellagen oder Stromausfällen die Menschen im Kalten sitzen würden.
Auch lässt sich beispielsweise grüner Wasserstoff viel besser speichern als Strom. Zudem lässt er sich durch Photovoltaikanlagen günstig erzeugen. Jahrelang wurde die Wasserstofftechnologie nicht ausreichend gefördert. Auch, weil sie nicht gewollt war. Da spielten natürlich auch die Interessen der Öl-Konzerne eine Rolle.
Spüren Sie bei Kunden schon eine nachlassende Nachfrage?
Wir spüren noch keinerlei Kaufzurückhaltung. Es ist auch nicht so, dass die Leute jetzt vermehrt bei uns anrufen, damit wir ihre Öltanks auspumpen, weil sie eine Wärmepumpe bekommen.
„Leute sind vorrangig sauer“: Kasseler Heizölhändler teilt Kritik am Gebäudeenergiegesetz
Welche Reaktionen von Kunden haben Sie auf das neue Gebäudeenergiegesetz und das Auslaufen der Öl- und Gasheizungen vernommen?
Die Leute sind vorrangig sauer wegen des Heizungstauschgesetzes. Sie sollen jetzt eine Entscheidung für eine neue Heizung treffen, obwohl sie oft keine großartigen Alternativen haben oder ihnen schlicht das Geld fehlt. Viele ältere Gebäude, die wir betanken, sind energetisch noch weit davon entfernt, um diese sinnvoll mit einer Wärmepumpe zu beheizen. Ich halte es auch für ein Unding, dass nur über 80-Jährige davon befreit werden sollen, bei einem Totalausfall ihrer alten Heizung in eine Anlage zu investieren, die zu 65 Prozent mit Erneuerbaren Energien betrieben wird. Auch für einen 70-Jährigen kann es unzumutbar sein, in den teuren Umstieg zu investieren. Dafür sind mindestens 20.000 Euro nötig.
Ein neuer Ölkessel ist deutlich günstiger. Nicht jeder Hauseigentümer ist wohlhabend. Deshalb muss es beispielsweise für ältere Menschen ab dem Rentenalter deutlich mehr Ausnahmen geben. Ich gehe davon aus, dass diese im Bundesrat noch in das Gesetz verhandelt werden.
Aber es soll doch staatliche Förderungen für die Umrüstung geben?
Da frage ich: Wo soll das ganze Geld denn herkommen? Wir sind der Staat, das sind doch unsere Steuern.
Was ist, wenn sich Ihre Hoffnungen zur Zukunft der synthetischen Kraftstoffe nicht bewahrheiten?
Wir können nichts anderes. Dann machen wir zu und 100 Arbeitsplätze fallen weg. Die Mitarbeiter wechseln dann vielleicht zu Wärmepumpenbauern. Ich bin mir aber sicher, dass ich mein Rentenalter hier noch erreichen werde. (Bastian Ludwig)
Zur Person
Dirk Lassen-Beck (56) ist Geschäftsführer der Albert Beck GmbH, die in Süsterfeld-Helleböhn ansässig ist. Er ist 1996 ins Unternehmen eingestiegen und hat die Geschäftsfelder stetig erweitert. Lassen-Beck wohnt in Kassel und ist Vater einer Tochter. Der Kasseler ist Zweiter Vorsitzender des Fußballclubs CSC 03 Kassel.