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„Herkules nie aus den Augen verloren“: Nachruf auf Willi Rudolph

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Von: Ulrike Pflüger-Scherb

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Er verkörperte die Wehlheider Kirmes: Willi Rudolph im Sommer 2018 vor dem Aufbau der Kirmes auf dem Georg-Stock-Platz.
Er verkörperte die Wehlheider Kirmes: Willi Rudolph im Sommer 2018 vor dem Aufbau der Kirmes auf dem Georg-Stock-Platz. © Andreas Fischer

Willi Rudolph, der Marktmeister der Wehlheider Kirmes, ist im Alter von 80 Jahren gestorben. Ein Nachruf.

Kassel – Willi Rudolph konnte es nicht lassen. „Die Wehlheider Kirmes war sein Lebenselixier“, sagt sein Sohn Markus. Eigentlich wollte sich Rudolph im Jahr 2018, nachdem er zum 52. Mal die Wehlheider Kirmes als Marktmeister organisiert hatte, von diesem Amt zurückziehen. Nur noch mit seinen Ständen auf dem Fest vertreten sein. Daraus wurde nichts.

Als 2019 Not am Mann war, sprang Rudolph wieder als Marktmeister ein, rüstete sein Wohnmobil, das auf er auf den Georg-Stock-Platz gestellt hatte, zum Marktbüro um. Die Wehlheider Kirmes wird künftig ohne Willi Rudolph stattfinden. Der Marktmeister ist am 4. Februar im Alter von 80 Jahren gestorben.

Rudolph wurde in Kassel in eine Schaustellerfamilie geboren. Als die Wehlheider Kirmes 1966 erstmals auf dem Georg-Stock-Platz gefeiert wurde, da hatte die Familie Rudolph noch ein Kettenkarussell. Von den Fahrgeschäften hatte sich Rudolph vor über 40 Jahren getrennt und konzentrierte sich seitdem auf Bratwurst- und Bierbuden sowie Bühnen.

„Ich wollte nicht mit den Karussells durch Deutschland reisen, sondern abends zu Hause sein“, sagte er 2018 gegenüber der HNA. „Während andere Schausteller Kirchturmreisende sind, war mein Vater immer Herkulesreisender. Er hat den Herkules nie aus den Augen gelassen“, sagt Markus Rudolph, der den gastronomischen Betrieb vom Vater übernommen hat.

Willi Rudolph, der in Fulda-brück-Bergshausen lebte, war ein Familienmensch. Er hatte eine große Familie: Drei Kinder aus erster Ehe und Zwillinge mit seiner zweiten Frau Christel, die noch drei Kinder in die Ehe mitgebracht hat. Hinzu kommen 13 Enkel. Dass die Wehlheider Kirmes einen ganz besonderen Stellenwert bei Rudolph eingenommen hat, könnte auch private Gründe haben. 1972 lernte er hier nämlich Christel kennen. Sie war damals Wirtin in der Kneipe „Zum Treppchen“, die gerade an der Kantstraße/Schönfelder Straße eröffnet hatte. „Das hat zwischen uns richtig gepasst. Sie hatte Lust auf das Geschäft, und ihre Kinder auch.“

Neben seiner Frau waren bislang immer vier der Kinder auf der Kirmes mit Ständen vertreten. Rudolph war stolz darauf, dass sich die Wehlheider von einem kleinen Fest zur „interessantesten Kirmes“ in ganz Kassel entwickelt hat. „Das Publikum ist sehr gut, weil hier alle Schichten vertreten sind. Vom Staatsanwalt bis zum Straßenkehrer“, sagte er 2018.

„Willi war über all die Jahre die Wehlheider Kirmes“, sagt Dirk Reimann, Vorsitzender der Kirmesgemeinschaft der Turngemeinde Wehlheiden (TGW), der eng mit Rudolph bei der Organisation des Festes zusammengearbeitet hat. Auch wenn Rudolph eine mitunter polterhafte Art gehabt habe, so habe er doch einfach ein sehr großes Herz gehabt, sagt Reimann.

„Du konntest von ihm alles haben, wenn Du mit ihm vernünftig umgegangen bist.“ Auch wenn bei einer Meinungsverschiedenheit auf dem Festplatz mal gebrüllt werden musste, so sei hinterher alles wieder gut gewesen, sagt Reimann, der sich besonders gern an den festen Händedruck des Marktmeisters erinnert.

Willi Rudolph, der auch Vorsitzender des Vereins Reisender Marktkaufleute und Schausteller Kassel war, war ein zupackender Kerl, der Probleme immer klar angesprochen hat, um sie dann zu lösen.

Sein Vater sei sehr geknickt gewesen, dass durch die Coronapandemie viele Feste in den vergangenen beiden Jahren ausfallen mussten, sagt Markus Rudolph. Umso mehr habe er sich gefreut, dass die Schausteller im vergangenen Sommer in er Innenstadt ihre Buden aufbauen konnten. „Da konnte er noch etwas bewegen.“

Seit einem Schlaganfall vor zwei Jahren und weiteren Erkrankungen sei es seinem Vater gesundheitlich immer schlechter gegangen, sagt Markus Rudolph. Der 80-jährige Willi Rudolph war auf Pflege angewiesen. Er konnte nicht mehr aufstehen und litt unter Schmerzen. Dadurch habe er am Ende seine Lebensfreude, die ihn so auszeichnete, verloren. (Ulrike Pflüger-Scherb)

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