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Herzensberuf mit Herausforderung: Familie Stanzel arbeitet am Klinikum Kassel

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Von: Anna-Laura Weyh

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Gehören zu den 1,7 Millionen Menschen in Deutschland, die in der Pflege arbeiten: (von links) Gabriele Stanzel mit ihren Töchtern Norma-Johanna Kiess und Leonora Etli aus dem Klinikum Kassel.
Gehören zu den 1,7 Millionen Menschen in Deutschland, die in der Pflege arbeiten: (von links) Gabriele Stanzel mit ihren Töchtern Norma-Johanna Kiess und Leonora Etli aus dem Klinikum Kassel. © Klinikum Kassel

Der Tag der Pflege am 12. Mai soll die Arbeit der Menschen würdigen, die Kranken und Alten helfen. 1,7 Millionen Deutsche sind in Pflegeberufen tätig - so auch Familie Stanzel aus Kassel.

Kassel – Das Kasseler Klinikum ist für Gabriele Stanzel und ihre beiden Töchter Leonora Etli und Norma-Johanna Kiess in all den Jahren zu einem Stück Heimat geworden. Denn die Schwestern sind quasi im Betrieb aufgewachsen. Gabriele Stanzel arbeitet seit 1985 im Klinikum Kassel. Gelernt hat sie am Marienkrankenhaus.

Die Kasselerin arbeitet später noch in der Klinik in Vellmar, bevor sie als Schwangerschaftsvertretung in die Gastroenterologie am Klinikum kommt. „Die Kollegin wollte früher zurückkommen und ich sollte gehen. Ich bin in Tränen ausgebrochen“, erinnert sich die 62-Jährige. Ihre Chefin habe sich aber für sie eingesetzt: Sie darf bleiben.

Gabriele Stanzel arbeitet als alleinerziehende Mutter stets Vollzeit, pausiert nur wegen der Schwangerschaften mit ihren beiden Töchtern und Sohn Alexander – auch er arbeitet heute am Klinikum Kassel als Fachkrankenpfleger für Intensiv- und Anästhesiepflege. Mittlerweile leitet Gabriele Stanzel seit mehr als zehn Jahren die Gastroenterologie-Station, die irgendwann zur Nephrologie umgewandelt wird. „Ich wollte nie leiten. Ich wollte eigentlich immer nur arbeiten und meine Kinder ernähren“, sagt Stanzel.

Ihre Entscheidung für diesen herausfordernden Beruf bereut sie bis heute nicht. „Ich habe gern Kontakt zu Menschen. Die Leute kommen krank zu uns. Wir begleiten den Genesungsprozess und bauen eine persönliche Bindung zu ihnen auf. Das ist schön“, sagt sie.

Dennoch ist der Alltag in der Pflege – gerade mit kleinen Kindern – nicht immer einfach für sie gewesen: „Oft wird man nicht rechtzeitig fertig“, sagt die Pflegeleitung. Ihre Kinder besuchen damals den betriebseigenen Kindergarten. „Wir wurden oft aus der Kita hoch auf Station zur Mama gebracht“, erinnert sich Leonora Etli.

„Oder für Fasching auf der Station fertiggemacht und geschminkt“, ergänzt ihre jüngere Schwester Norma-Johanna Kiess. „Hier war es schon immer wie Zuhause für uns“, sind sich beide einig.

So ist es bis heute. Die Familie, die nicht nur den Job teilt, sondern auch noch nah beieinander auf dem Warteberg in Kassel wohnt, kann sich keine andere alltägliche Arbeit vorstellen. „Wir sind sehr unternehmensverbunden“, sagt Leonora Etli.

Die 31-Jährige hat ihr Freiwilliges Soziales Jahr im Augen-OP gemacht. „Da war ich sehr glücklich. Danach habe ich meine Ausbildung am Klinikum begonnen“, sagt Leonora Etli, die während der Pandemie auf der Covid-Station und mittlerweile auf der Gefäßchirurgie und der plastischen Chirurgie arbeitet.

„Es gab keinen Zeitpunkt, an dem ich überlegt habe, vielleicht doch einen anderen Beruf auszuüben“, sagt Leonora Etli. Nicht selten beschäftigen die Pflegefachfrauen Situationen aus dem Arbeitsalltag auch nach Feierabend. „Im Rahmen des Datenschutzes tauschen wir uns in der Familie aus und geben uns Tipps. Das hilft“, sagt Leonora Etli.

Zuletzt ist auch noch die jüngste Tochter, Norma-Johanna Kiess, in die Fußstapfen der Mutter getreten. Auch sie absolviert zunächst ein Freiwilliges Soziales Jahr am Klinikum, nach ihrem Fachabitur folgt dann dort die Ausbildung. Aktuell ist die 25-Jährige noch in Elternzeit, weil sie kürzlich selbst Mama geworden ist. „Ich freue mich aber schon sehr auf das Zurückkommen. Es ist ein Herzensberuf, eine Berufung“, sagt Norma-Johanna Kiess.

„Gewissenhaft pflegen können wir so nicht“

Familie Stanzel aus Kassel betont im Gespräch oft, wie gern sie ihren Beruf ausübt – genauso oft wird aber auch deutlich, wie schlimm Gabriele Stanzel und ihre Töchter es finden, dass sie in ihrem alltäglichen Tun eingeschränkt sind. Sie kritisieren die Reform der Pflegeberufe sowie den enormen Zeit-, beziehungsweise Personalmangel, der dafür sorge, für die Patientinnen und Patienten nicht in jeder Situation vollumfänglich da sein zu können.

Die neue Generalistische Pflegeausbildung ersetzt die bisherigen Pflegeausbildungen der Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege. Bislang waren die Ausbildungen im Altenpflegegesetz und im Krankenpflegegesetz getrennt geregelt. Nun sind sie in einem neuen Pflegeberufegesetz zusammengeführt. Seit dem Jahr 2020 lautet diese neue Berufsbezeichnung Pflegefachfrau und Pflegefachmann. Diese Ausbildung befähigt die Absolventinnen und Absolventen, die Pflege von Menschen aller Altersgruppen zu übernehmen.

Nach der Ausbildung sind sie also qualifiziert, im Krankenhaus, im Altenheim oder auch in der Kinderkrankenpflege zu arbeiten. Der Gesetzgeber erhofft sich durch diese Reform mehr Attraktivität für den Pflegeberuf. Volker Pape, Leiter der Akademie für Bildung der Gesundheit Nordhessen (GNH) äußert aber Bedenken: „Es besteht die Gefahr, dass die Fachkräfte aus der Altenpflege abwandern und in die Kliniken gehen.“ Der Fachkräftemangel würde sich dadurch nur verlagern.

Auch Gabriele Stanzel und ihre Töchter sehen diese Neuerung kritisch. Norma-Johanna Kiess sagt: „Die Ausbildung war vorher schon sehr vielseitig. Dass die Auszubildenden nun in drei Jahren noch mehr lernen müssen, ist sehr schwierig.“

Nur wenig Zeit für Patientinnen und Patienten

„Es geht nicht darum, dass wir weniger arbeiten wollen. Wir wollen mehr Zeit für die Patienten“, sagt Norma-Johanna Kiess. Außerdem wünsche sie sich im Berufsalltag mehr Zeit, um Schülerinnen und Schüler anzulernen.

„Gewissenhaft pflegen können wir so nicht“, bestätigt auch Leonora Etli. Manchmal gebe es bis zu 36 Patientinnen und Patienten auf einer Station. Jeder Mensch benötige individuelle und intensive Hilfe. Die Zeit ist knapp. „Das ist schlimm. Ich stelle mir immer vor, es wäre mein Angehöriger und frage mich: Ist es dafür genug?“

Nicht immer laute die Antwort: ja. „Es gehört auch dazu, dem Patienten zuzuhören oder ihn in den Arm zu nehmen“, sagt Norma-Johanna Kiess. Sie bemühen sich, die Menschen über jeden Schritt gut zu informieren und ihm stets auf Augenhöhe zu begegnen. „Wir sind viele Berufsgruppen in einem“, sagt Gabriele Stanzel.

Oft können die pflegerischen Leitungen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wegen des Personalmangels nicht freigeben. „Obwohl sie sich das erarbeitet haben“, sagt Gabriele Stanzel. Und weiter: „Ich habe auch darüber nachgedacht, ob ich den Job wechseln soll, aber es macht mir einfach Spaß.“

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