Hans-Manfred Jung, Chef der Staatsanwaltschaft Kassel, geht in den Ruhestand

Hans-Manfed Jung, Chef der Staatsanwaltschaft Kassel, wird in den Ruhestand verabschiedet.
Kassel – Sollte das Hessische Justizministerium eine Kampagne starten, um weitere Nachwuchskräfte für die Staatsanwaltschaft zu gewinnen, sollten sich die Verantwortlichen Hans-Manfred Jung ins Boot holen. Staatsanwalt zu sein, das sei der spannendste Beruf, den man sich als Jurist vorstellen könne. „Bei der Staatsanwaltschaft pulsiert das Leben. Da kommt eins zu eins an, was in der Bevölkerung tatsächlich passiert“, sagt der 65-jährige Jurist.
Jung muss es ja wissen. Nach 40 Dienstjahren geht der Leitende Oberstaatsanwalt heute offiziell in den Ruhestand. Bevor er im September 2020 Chef der Staatsanwaltschaft Kassel wurde, war Jung dort als Dezernent, Pressesprecher und als stellvertretender Behördenleiter tätig. Er hat in seiner Karriere nur zwei Mal Kassel kurz verlassen: Im Rahmen des Aufbaus Ost war er 1991/92 an die Bezirksstaatsanwaltschaft Erfurt abgeordnet. Zudem war er 1995 für sechs Monate bei der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt eingesetzt.
Sehr spannend sei die Zeit gewesen, als er ab 1995 Pressesprecher der Behörde war. „Damals war ich wahrscheinlich der best informierte Mitarbeiter“, sagt Jung. Er hat einige spektakuläre Fälle als Pressesprecher begleitet. Als sich der Kannibale von Rotenburg vor dem Kasseler Landgericht verantworten musste, bekam Jung Presseanfragen aus der ganzen Welt.
Er musste den Medienvertretern auch Auskunft geben in dem Fall, als ein Landwirt seinen toten Knecht an Schweine verfüttert hat oder ein Mann zwei Auftragskiller aus Litauen engagierte, die seine Frau getötet haben. Neben Tötungsdelikten, die bundesweit Schlagzeilen machten, gab es aber auch große Steuerverfahren.
Die Zusammenarbeit mit den Journalisten in Nordhessen sei gut gewesen, sagt Jung. Man habe immer bei brenzligen Fragen mit ihnen reden können.
Die Herausforderung als Pressesprecher sei ja gewesen, die Sachverhalte einerseits in verständliche Worte zu fassen. Andererseits durfte das Veröffentlichte nicht die Ermittlungen in Gefahr bringen.
Zudem sei es als Staatsanwalt wichtig, die Dinge nicht so sehr persönlich an sich ranzulassen, einen Schutzwall aufzubauen. Vor allem, wenn es um Missbrauchsdelikte zum Nachteil von Kindern gehe. „Man muss dazu in der Lage sein, Dinge zu abstrahieren.“ Und man müsse versuchen, die Geschehnisse zu versachlichen. „Die emotionale Bewertung überlassen wir den Medien und den Leserbriefschreibern“, sagt Jung.
„Die Staatsanwaltschaft ist die objektivste Behörde der Welt“, unterstreicht Jung. Neben der Interessen der Opfer und Zeugen müsse die Behörde auch die Interessen der Beschuldigten beachten. „Das geht los mit der Unschuldsvermutung“, sagt Jung. Und ende nach Verbüßen der Strafe mit der Resozialisierung. Ein Staatsanwalt müsse immer alle be- und entlastenden Umstände ermitteln. Jung weiß auch, dass „Volkes Meinung“ nicht immer deckungsgleich mit dem Urteil „Im Namen des Volkes“ vor Gericht ist.
Auch wenn es in seinem Berufsleben natürlich auch Phasen gab, die stressig waren oder er sich auch mal über Dinge ärgern musste, so sei seine Berufswahl ein Glücksfall gewesen. Er sei immer gern an die Arbeit gegangen, sagt Jung, der in Hadamar (Westerwald) aufgewachsen ist und in Frankfurt Jura studiert hat, bevor er zur Staatsanwaltschaft nach Kassel gegangen ist. In Nordhesse habe er sich von Anfang an heimisch gefühlt, sagt Jung, der mit seiner Frau in Vellmar lebt und zwei erwachsene Kinder hat.
Die Corona-Pandemie hat seine Zeit als Behördenchef geprägt. Der Umgang mit den sich häufig ändernden Regularien, die aus Wiesbaden und Berlin gekommen sind, sei herausfordernd gewesen. Es sei aber gelungen, dass die Staatsanwaltschaft Kassel keine „Superspreaderbehörde“ geworden sei. Die Arbeitsfähigkeit sei während der ganzen Zeit gewährleistet gewesen, sagt Jung.
Er ist übrigens in den vergangenen 25 Jahren immer mit dem Rad von Vellmar nach Kassel an die Arbeit gefahren. Im Sommer wie im Winter, „nur bei Glatteis nicht“, sagt Jung. Mit einem ganz normalen Rad, nicht mit einem E-Bike. „E-Bike kann ich fahren, wenn ich alt bin.“
Jungs Nachfolger in der Staatsanwaltschaft Kassel wird Andreas May. Er war bislang Leiter der Zentralstelle für die Bekämpfung der Internetkriminalität bei der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt (ZIT). (use)