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Wie sich in Kassel Unterstützung für die Ukraine formiert

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Von: Alina Andraczek

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Pfarrer Stefan Krönung und Lars Elsebach von der Gewerkschaft der Polizei
Packen mit an: Die Malteser um Pfarrer Stefan Krönung (von links) wurden am Dienstag von Lars Elsebach und seinen Kollegen von der Gewerkschaft der Polizei unterstützt. © Andreas Fischer

In der Kirche Sankt Joseph sortieren Freiwillige gespendete Medizin, Hygieneartikel und Kleidung für Menschen in der Ukraine. An vielen Stellen in Kassel entstehen Hilfsaktionen.

Am Anfang der Marburger Straße ist am Dienstagmittag Stau. Fast jeder Autofahrer, der hier einbiegt, wartet darauf, zur Kirche Sankt Joseph vorzufahren und seine Säcke und Kartons voller Kleidung oder Hygieneartikeln abliefern zu können. Seit Sonntag sammeln die Malteser hier Hilfsgüter für die Menschen in der Ukraine. Nach zweieinhalb Tagen türmen sich Berge von Kleidung und Decken auf den Kirchenbänken.

Kirche ist voll mit Hilfsgütern

Wie zahlreiche Menschen aus dem Umland hat sich auch Sylvia Töngi auf den Weg zu den Maltesern in Rothenditmold gemacht. Mit zwei Tüten beladen schlängelt sie sich durch die Berge von Hilfsgütern im Kirchenschiff. „Ich bringe die Sachen, weil ich es wichtig finde, ein Zeichen der Solidarität zu setzen“, sagt die Kasselerin. „Dass wir in diesen Kriegszeiten unsere Werte von Humanismus und Solidarität leben.“ Eilig verlässt sie die Kirche wieder, um den im Sekundentakt eintreffenden Spendern Platz zu machen.

Vor der Sankt-Josephskirche türmen sich Spenden.
Spendenflut: Die Malteser sind positiv überrascht von der Spenden- und Hilfsbereitschaft der Kasseler. © Andreas Fischer

„Wir haben eine wahnsinnige Unterstützung aus der Bevölkerung“, sagt Pfarrer Stefan Krönung, „und das ist eine verlässliche Hilfe, weil viele sagen, ich komme wieder und helfe beim Sortieren.“ Mit den Maltesern hatte er die Soforthilfe am Wochenende organisiert, nachdem Ukrainer aus Kassel sich an sie gewandt hatten. Die Gruppe wollte Hilfsgüter sammeln, um sie Mitte der Woche mit Transportern an die polnisch-ukrainische Grenze zu bringen.

Soforthilfe haben Ukrainer aus Kassel initiiert

Mittlerweile ist klar, dass weitere Transporte folgen werden – und die Kirche Sankt Joseph zu einem Umschlagplatz der Hilfe geworden ist. „Das hat mehr Struktur, als man vermutet“, sagt Krönung mit Blick auf die vollen Kirchenbänke. „Das ist eine Struktur von hilfsbereiten, guten Menschen, die wissen, warum sie es machen.“

Helfer und Polizisten unterstützen beim Sortieren

Zu diesen Leuten zählen an diesem Mittag auch viele Polizisten, die Autos in die Auffahrt und Menschen in die Kirche winken. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hatte kurzfristig dazu aufgerufen, die Hilfsaktion zu unterstützen. „Ein Kollege von uns ist auf einer Kundgebung gefragt worden, ob wir als GdP hier unterstützen können“, erzählt Lars Elsebach, Vorsitzender der GdP-Kreisgruppe Kassel. Sofort habe man zu Spenden und Unterstützung aufgerufen. „Es ist schön, dass so funktioniert hat“, sagt Elsebach, „wenn wir helfen können, haben wir einen kleinen Beitrag geleistet, um elendes Leid zu mildern.“

„Das treibt einem die Tränen in die Augen“

Ihren Beitrag leisten in der Kirche Sankt Joseph auch Kasseler wie Marijana Rajic. 1992 ist die heute 43-Jährige selbst vor dem Bosnienkrieg geflohen. „Ich war genau in der Lage, in der die Ukrainer heute sind, und deswegen war es mir eine Herzensangelegenheit, hier zu helfen“, sagt Rajic. „Weil ich genau weiß, wie es ist, seine Heimat zu verlieren.“ Sie habe noch einige Bekannte angerufen und um Hilfe gebeten, auch ihre Tochter kommt nach der Schule dazu. Von der Solidarität, die sie nun beobachtet, ist Rajic beeindruckt. „Das treibt einem die Tränen in die Augen, wenn man diese Hilfsbereitschaft sieht“, sagt sie.

Die Kasselerin Marijana Rajic
Engagiert sich: Die Kasselerin Marijana Rajic fühlt mit den Menschen in der Ukraine. © Andreas Fischer

So viel wie aktuell, ist bei den Maltesern noch nie gespendet worden. „Den Gottesdienst werden wir Sonntag wahrscheinlich draußen feiern“, sagt Stefan Krönung mit Blick auf seine Kirche. Die Hilfe habe Priorität. Er hofft nun, dass die Hilfsbereitschaft anhält – und sich nicht nur auf den derzeitigen Angriffskrieg in der Ukraine beschränkt. „Manchmal frage ich mich schon, warum hat das vorher keiner gemerkt? Krieg haben wir in der Ukraine seit acht Jahren“, sagt er. „Jetzt gibt es eine Welle der Solidarität und Öffentlichkeit für diese Leute, die auch übermorgen noch in Not sind.“ (Von Alina Andraczek)

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