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Überwacht durch die Nacht: HNA-Redakteurin im Schlaflabor des Kasseler Marienkrankenhauses

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Von: Anna Weyh

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Prof. Martin Konermann, Leiter des Schlaflabors, wertet den Schlaf des Patienten aus.
Prof. Martin Konermann, Leiter des Schlaflabors, wertet den Schlaf des Patienten aus. © anna weyh

Das schlafmedizinische Zentrum überwacht die gesamte Schlafdauer von Patienten. Wie so eine Nacht im Schlaflabor abläuft — das hat unsere Redakteurin Anna Weyh ausprobiert.

Kassel – Schnarchen, Atempausen, Schlafwandeln. Die Gründe, warum Patienten in ein Schlaflabor geschickt werden, sind vielfältig. Aber was passiert eigentlich in einem Schlaflabor? Und wie messen Experten den Schlaf und dessen Qualität? Eine Nacht im Schlaflabor des Marienkrankenhauses in Kassel.

18.45 Uhr

Los geht’s. Im Marienkrankenhaus ist es bereits ganz still. Die Zimmertüren sind geschlossen, keine Patienten sind mehr auf den Gängen unterwegs. Eine Mitarbeiterin des Schlafmedizinischen Zentrums zeigt den Weg: Zimmer 6. Der Raum gleicht einem Hotelzimmer, nichts erinnert an das kühle Krankenhaus-Ambiente. Die Fensterfront bietet freie Sicht von Rothenditmold auf den Herkules. Um 20 Uhr heißt es dann auch schon Zähneputzen, Waschen, Umziehen.

20.30 Uhr

Die Verkabelung beginnt. Pro Person dauert das etwa 30 Minuten, insgesamt sind es elf Patienten. Mit Maßband und Edding – wasserlöslich, ein Glück – vermessen zwei Mitarbeiterinnen zunächst den Kopf und kennzeichnen, wo anschließend die Elektroden für das EEG, also die Messung der Gehirnaktivität, angebracht werden. „Darüber sehen die Ärzte, ob der Patient schläft und in welcher Schlafphase er sich befindet“, sagt Iris Welker, Mitarbeiterin des Schlaflabors. Die Elektroden kleben mittels einer Paste am Kopf – ebenfalls wasserlöslich, aber deutlich hartnäckiger als der Edding.

Am Patienten wird in der Nacht noch ein EKG gemacht, also die Herzströme untersucht. Der Sauerstoff wird am Finger gemessen, ein Mikrofon zeichnet das Schnarchen auf und die Beine werden auf das Restless-Legs-Syndrom untersucht, eine neurologische Erkrankung, die mit einem intensiven Bewegungsdrang in den Beinen einhergeht.

Alle Kabel und Messgeräte sind am Körper befestigt und mit Wlan ausgestattet. „Die Patienten können also nachts aufstehen und einfach alles mitnehmen“, sagt die medizinische Fachangestellte. Das geht jedoch nicht in allen Zimmern. „In vier Räumen muss der Patient erst schellen. Wir lösen dann ein Kabel und er kann aufstehen“, so Welker.

21 Uhr

Das medizinische Personal testet, ob die Elektroden richtig sitzen und Signale senden. Dazu muss der Patient seinen Anweisungen folgen: Die Augen von rechts nach links bewegen. Die Füße strecken und flexen. Von Eins bis Fünf zählen und – ein schräger Moment: „Einmal laut Grunzen, bitte.“ Ob das Personal im Schlaflabor wohl auch manchmal seinen Spaß hat? „Wir sitzen durchgehend vor den Computern und schauen, ob alles richtig ableitet und die Werte stimmen“, sagt Welker. Zeit zum Schmunzeln bleibe da kaum.

22.30 Uhr

Die Sonne ist untergegangen. Der Herkules strahlt aus der Ferne ins Zimmer. Es ist ruhig und auch aus den Nebenräumen sind keine Fernseher mehr zu hören. Alles ist friedlich – nur die Kamera an der Zimmerdecke stört ein wenig. Sie ist genau aufs Bett gerichtet. Schlafen unter Beobachtung. Deshalb verbringen die Patienten mindestens zwei Nächte im Schlaflabor. Durch die ungewohnte Umgebung seien die Ergebnisse sonst nicht repräsentativ.

1 Uhr

Schlafen auf der Seite ist zwar erlaubt, es ist doch aber recht unbequem mit den ganzen Kabeln und Messgeräten. Ein Blick auf die Uhr. Irgendwie fühlt sich der Kasten am Bauchgurt recht warm an. Ob das so richtig ist?

4.30 Uhr

Es klopft, die Tür geht auf und das Licht an. Die Entkabelung der Patienten beginnt. „Aber jeder, der möchte, kann dann noch einmal weiterschlafen“, sagt Iris Welker. Sie arbeitet schon seit mehr als 20 Jahren im Schlaflabor. An die Arbeitszeiten gewöhne man sich. „Ich arbeite am liebsten möglichst viele Nächte in der Woche, dann komme ich damit besser damit klar“, sagt sie.

9 Uhr

Die Messwerte der Nacht werden morgens manuell von Mitarbeitern ausgewertet. Prof. Martin Konermann, Leiter des Schlafmedizinischen Zentrums, bespricht die Ergebnisse dann mit dem Patienten. Ein Glück, beim eigenen Befund ist alles unauffällig. „Oft sind Menschen bei uns, die an der Schlafapnoe leiden“, sagt er. Diese Patienten schnarchen und haben immer wieder Atemaussetzer. Die Schlafapnoe führe zu Herz-Kreislauf-Störungen. Im mittleren Alter leiden 34 Prozent der Männer und 20 Prozent der Frauen daran, sagt der Mediziner. Unbehandelt koste das Betroffene zehn bis zwölf Lebensjahre.

Anhand der Schlafkurve zeigt Konermann, wie ein Schlafzyklus in der Regel aufgebaut ist. „Er umfasst 90 Minuten und besteht aus einer Leichtschlafphase, dann Tiefschlaf, wieder Leichtschlaf und einer Traumschlafphase“, sagt er. Jeder träumt demnach mehrmals in der Nacht. Der Traumschlaf wird auch als Rem-Schlaf bezeichnet und ist wichtig für das Lernen. „Außerdem rekapitulieren wir dann unsere Urtriebe, wie Aggression oder Sexualität. Das ist völlig normal“, sagt er. Gibt es da auch manchmal Lustiges zu sehen? „Ja, aber oft ist es auch richtig peinlich. Aber das führe ich jetzt nicht weiter aus.“

Seit 1996 zertifiziert
Das Schlafmedizinische Zentrum im Marienkrankenhaus ist eines der größten von der Deutschen Gesellschaft für Schlafmedizin akkreditierten Zentren in Nordhessen. Das Schlaflabor umfasste 1996 zunächst vier, dann sechs und mittlerweile elf Betten. Es gilt als Referenzzentrum, in dem Patienten behandelt werden, die in anderen Schlaflaboren Schwierigkeiten hatten. Im Zentrum im Marienkrankenhaus werden mehr als 80 Erkrankungen des Schlafs diagnostiziert und behandelt.

HNA-Redakteurin Anna Weyh im Schlafmedizinischen Zentrum.
HNA-Redakteurin Anna Weyh im Schlafmedizinischen Zentrum. © josefin schröder

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