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Hessens Justizministerin  zu Übergriffen in Köln: „Ein Nein muss reichen“

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Von: Ulrike Pflüger-Scherb

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46127682 © picture alliance / dpa

Kassel. Seit den Übergriffen in der Silvesternacht in Köln wird über die Verschärfung des Sexualstrafrechts diskutiert. Ein Interview mit Hessens Justizministerin Eva Kühne-Hörmann.

Aufgrund der Übergriffe in Köln gibt es bislang über 650 Strafanzeigen, mehrere dutzend Tatverdächtige sollen identifiziert worden sein. Wie geht die Justiz mit den Übergriffen um? 

Eva Kühne-Hörmann: Ich muss zunächst anmerken, dass ich es nicht für möglich gehalten hätte, dass so etwas wie in Köln passieren kann. Solche Phänomene, dass Frauen von vielen Männern bedrängt und eingekesselt werden, gab es bislang in Deutschland nicht. Wir sprechen hier von einem Täterkreis, der aus Ländern kommt, in denen Frauen wenige oder fast gar keine Rechte haben. Das sind testosterongesteuerte, junge Männer, die nicht begriffen haben, dass Frauen in Deutschland gleichberechtigt sind und machen können, was sie wollen. Ich habe keine Lust, mir künftig vorschreiben zu lassen, ob ich als Frau noch allein irgendwo hingehen kann. Dafür haben die Frauen in Deutschland auch zu lange für ihre Rechte gekämpft.

Unter den Verdächtigen waren aber auch Ausländer, die schon länger hier leben. 

Kühne-Hörmann: Bei dieser Tätergruppe, das muss ich kritisch anmerken, ist die Integration und die Vermittlung unserer Werte offenbar nicht gelungen. Viele Taten wurden im Schutz der Masse und der Dunkelheit begangen. Es wird ohnehin ein großes Problem, diese Taten nachzuweisen.

Aber auch wenn einem Mann nachgewiesen werden kann, dass er in der Silvesternacht eine Frau angegrapscht hat, muss er noch lange nicht mit einer Verurteilung wegen sexueller Nötigung rechnen. 

Kühne-Hörmann: Das stimmt. Es kommen einige Straftatbestände in Betracht, aber ob am Ende dann Strafen rauskommen, die zu einer Abschiebung führen können, ist fraglich. Bislang gilt, dass eine sexuelle Belästigung oder Vergewaltigung nur dann vorliegt, wenn eine Frau zur sexuellen Handlung konkret genötigt worden ist. Das heißt, der Täter muss das Opfer vorher eingeschüchtert oder ihm Gewalt angedroht haben. Deshalb wird der Paragraph 177 Strafgesetzbuch schon lange kritisiert und soll geändert werden. Die Reform des Sexualstrafrechts ist überfällig.

Warum ist die Novellierung des Paragraphen nicht längst geschehen? 

Kühne-Hörmann: Bisher ist es so, dass sich Frauen in solchen Situationen tatsächlich wehren müssen. Aber gerade in Fällen sexueller Belästigung und Vergewaltigung muss ein „Nein“ reichen. Wir waren uns alle einig, dass diese Lücken des Gesetzes geschlossen werden müssen. Es hat aber ewig gedauert, bis Justizminister Heiko Maas (SPD) im Juli 2015 einen ersten, noch nicht abgestimmten Entwurf für die Änderung des Sexualstrafrechts vorgelegt hat.

Dieser Entwurf ist nach der Kölner Silvesternacht wie Phönix aus der Asche wieder hervorgekommen. Dass die Vorfälle in Köln noch nicht unter einem verschärften Sexualstrafrecht verfolgt werden können, ist letztlich diesem zögerlichen Handeln des Bundesjustizministers geschuldet. Ich gehe aber davon aus, dass aufgrund des öffentlichen Drucks das Strafrecht jetzt zeitnah geändert wird.

Was soll sich konkret ändern? 

Kühne-Hörmann: Die Zweistufigkeit, also die Nötigung des Opfers durch den Täter, ist künftig nicht mehr erforderlich, um bestimmte Straftatbestände zu erfüllen. Der Überraschungseffekt, die Ausnutzung einer Lage und das Überrrumpeln der Opfer, wie es in Köln geschehen ist, sollen dann schon für eine Verurteilung ausreichen. Sie müssen sich mal vorstellen: Bislang gibt es nur eine sehr geringe Verurteilungsquote. Bei nur einem geringen Prozentsatz aller Fälle, bei denen wegen sexueller Nötigung/Vergewaltigung Ermittlungen aufgenommen worden sind, gab es am Ende auch eine Verurteilung. Das liegt daran, dass meistens die engen Tatbestandsvoraussetzungen des § 177 StGB nicht erfüllt sind.

Neben der Verschärfung des Sexualstrafrechts haben Bundesjustizminister Heiko Maas und Bundesinnenminister Lothar de Maizière einen gemeinsamen Vorschlag zur erleichterten Ausweisung von Straftätern vorgelegt.

Kühne-Hörmann: Diesen Vorschlag begrüße ich. Danach dürfen kriminelle Ausländer ausgewiesen werden, die rechtskräftig wegen einer oder mehrerer vorsätzlich begangener Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung oder wegen des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe verurteilt worden sind. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Strafe zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Dadurch wird deutlich, dass niemand hier bei uns etwas zu suchen hat, der sich nicht an das Grundgesetz und unsere Werteordnung hält. Die Betroffenen müssen merken, dass ihr Handeln auch Konsequenzen bis zur Abschiebung haben kann. Das war bislang oft nicht der Fall. Im Übrigen gelten diese Regeln auch für Flüchtlinge. Straftaten müssen Folgen für das Asylverfahren bzw. für das bei uns in Anspruch genommene Gastrecht haben.

Viele Menschen haben spätestens seit den Übergriffen in Köln kein Vertrauen mehr in den Rechtsstaat. Auch in Kassel hat sich bei Facebook eine Bürgerwehr gegründet. Was sagen Sie dazu? 

Kühne-Hörmann: Das Gewaltmonopol des Staates gilt uneingeschränkt, dazu gibt es keine Alternativen. Menschen, die im Alltag verdächtige Beobachtungen machen, sollten die Polizei verständigen. Für die Sicherheit und Ordnung sind ausschließlich die Polizei und Justiz zuständig. Alle demokratischen Parteien und die Gesellschaft müssen aber jetzt zusammenstehen, um solchen gefährlichen Entwicklungen entgegenzuwirken. Wir haben einen gut funktionierenden Rechtsstaat. Das Gros der Flüchtlinge kommt doch auch deshalb zu uns, weil die Menschen bei uns sicher und in Freiheit leben können.

Zur Person 

Eva Kühne-Hörmann (53) wurde in Kassel geboren. Nach dem Abitur am Friedrichsgymnasium studierte sie von 1981 bis 1988 Rechtswissenschaften in Würzburg und Göttingen. Sie schloss das Studium 1991 mit der zweiten juristischen Staatsprüfung ab. Seit 1986 in der CDU, wurde sie als Kreisvorsitzende der Kasseler CDU 2009 nach der Landtagswahl unter Ministerpräsident Roland Koch hessische Ministerin für Wissenschaft und Kunst. Seit Januar 2014 ist sie im Kabinett von Ministerpräsident Volker Bouffier Justizministerin. Eva Kühne-Hörmann ist verheiratet und hat einen Sohn und eine Tochter. Mit ihrer Familie lebt sie in Kassel.

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