Kämpfer für den Untergrund

Uwe Neuschäfer, Betriebsleiter von Kasselwasser, geht in den Ruhestand

Er geht in den Ruhestand: Uwe Neuschäfer, Betriebsleiter von Kasselwasser, vor den Faultürmen des Eigenbetriebs, hat sich über drei Jahrzehnte für intakte Kanalnetze in Kassel eingesetzt.
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Er geht in den Ruhestand: Uwe Neuschäfer, Betriebsleiter von Kasselwasser, vor den Faultürmen des Eigenbetriebs, hat sich über drei Jahrzehnte für intakte Kanalnetze in Kassel eingesetzt.

Uwe Neuschäfer, Betriebsleiter von Kasselwasser, geht in den Ruhestand.

Kassel – Uwe Neuschäfer (65) hat gern im Untergrund gearbeitet. Aber nie „subversiv“, wie er es ausdrückt. Also nicht, um etwas Bestehendes zu bekämpfen. Im Gegenteil. Seit 1989 hat er in unterschiedlichen Funktionen in der Stadt Kassel dafür gesorgt, dass es hier eines der intaktesten Kanalnetze in ganz Deutschland gibt. Das habe eine Substanzwertanalyse im Jahr 2018 ergeben.

„Wir haben einen sehr hohen Standard“, sagt Neuschäfer.

Am heutigen Freitag wird der Betriebsleiter von Kasselwasser in den Ruhestand verabschiedet. Der Eigenbetrieb mit 172 Mitarbeitern ist nicht nur für die Abwasserbeseitigung und Gewässerunterhaltung, sondern auch für die Wasserversorgung in Kassel und Vellmar zuständig. Frank Koch, bisheriger Abteilungsleiter Planung/ Bau, übernimmt die kommissarische Leitung bei Kasselwaser.

Das 950 Kilometer lange Kanalnetz Kassels kennt Neuschäfer aus dem Effeff. Er habe nie eine Scheu vor den Gerüchen rund ums Klärwerk an der Gartenstraße und den Hinterlassenschaften der Menschen gehabt. „Schiss und Piss sind nie etwas Schlimmes für mich gewesen“, sagt Neuschäfer, der Sinn für Humor hat. Er erinnert an den früheren Slogan des Eigenbetriebs „Ihr Geschäft ist unser Business“.

Aber Spaß beiseite. Welche Bedeutung eine funktionierende Kanalisation für eine Gesellschaft hat, macht Neuschäfer am folgenden Beispiel deutlich. Als 1870 mit dem Bau der Kanalisation in Kassel begonnen wurde, sei ein Mensch im Durchschnitt 40 Jahre alt geworden. Heute liege die Lebenserwartung bei 80 Jahren. Es sei wissenschaftlich nachgewiesen, dass dazu auch maßgeblich die steigenden Hygienestandards beigetragen haben. Neuschäfer, der geschichtlich sehr interessiert ist, hat 2010 ein Buch über die Geschichte der Abwasserbeseitigung in Kassel verfasst.

Geboren und aufgewachsen ist er in Waldeck am Edersee, wo er heute noch immer mit seiner Frau lebt. Das Paar hat zwei erwachsene Söhne. Nach seinem Bauingenieur-Studium an der Uni Bochum war er zunächst wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni Kassel. 1989 wechselte er zum Tiefbauamt der Stadt Kassel und 1996 zum Kasseler Entwässerungsbetrieb, wo er stellvertretender Betriebsleiter wurde. Aus dem entstand 2012 der Eigenbetrieb Kasselwasser, dessen Chef Neuschäfer seit 2020 gewesen ist.

Der Ingenieur war nicht nur für den Ausbau und die Modernisierung des Klärwerks und den Bau einer Klärtrocknungsschlammanlage zuständig, sondern auch für die Errichtung von Regenbecken zum Schutz vor Hochwasser sowie die naturnahe Gestaltung von Stadtbächen. Unter Neuschäfer gab es auch immer wieder Aktionen, die den Entsorgungs- und Versorgungsbetrieb den Menschen nähergebracht haben. So wurde die Kassel-Wasser-Bar geschaffen, aus der bei Veranstaltungen kostenlos Trinkwasser verteilt wird. Unter Neuschäfer wurde der „mediale“ Kampf gegen die Ratten aufgenommen. Mit dem Slogan „Don’t feed the rat“ auf Kanaldeckeln wurden die Kasseler sensibilisiert, dass keine Essenreste über die Toilette entsorgt werden dürfen. Diese Aktion fand bundesweit Nachahmer.

Schon als Kind hatte Neuschäfer eine Affinität zu Kläranlagen. Sein Vater wurde 1968 mit Einweihung der Kläranlage in Waldeck nebenberuflicher Klärwärter. Neuschäfer war damals in der fünften Klasse und musste einen Aufsatz schreiben. Er wählte den Titel: „Die Kläranlage Waldeck und ich.“ Als er später mit seiner Familie in den Urlaub fuhr, hätten ihn seine Söhne nicht auf Burgen oder Schlösser hingewiesen. „Sie sagten zu mir, guck mal, da ist ein Faulturm.“

Neuschäfer kokettiert auch gern damit, dass er zeitweise durch große Kanalbaustellen für Staus in Kassel gesorgt hat. Dadurch hätten viele Kasseler erst das „gute Gefühl bekommen, in einer Großstadt zu leben“. In Waldeck hieß es früher immer nur: Kassel ist ein Dorf mit Straßenbahn.

Neuschäfer, der Mitglied der SPD ist, war lange Jahre Ortsvorsteher und Stadtverordneter in Waldeck. Die politische Arbeit habe ihm auch in seiner Funktion bei Kasselwasser geholfen. Er habe gelernt, wie die Zusammenarbeit zwischen einer Verwaltung und einem Parlament vernünftig und sachlich gestaltet werden könne.

Glücklich ist der Ingenieur darüber, dass er auch am Neubau der Stadtschleuse beteiligt gewesen ist, die am 16. Juni eröffnet wird. „Das ist ein tolles Highlight gewesen. Als Bauingenieur bekommt man nicht jeden Tag die Gelegenheit dazu, eine Schleuse mitzubauen.“ (use)

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