Geflüchtete schlecht behandelt? Sinti und Roma erheben Vorwürfe - Bahn kündigt Aufklärung an

Sinti und Roma erheben Vorwürfe gegen die Deutsche Bahn und die Bundespolizei. Dabei geht es um unangemessene Behandlung von ukrainischen Geflüchteten.
Kassel - Der Bundesverband der Sinti und Roma erhebt Vorwürfe gegen die Deutsche Bahn und die Bundespolizei, eine Gruppe ukrainischer Geflüchteter unangemessen behandelt zu haben. Dabei geht es auch um Rassismus. Die Bahn kündigte eine Aufarbeitung des Falls an, die Bundespolizei widersprach der Darstellung des Bundesverbandes der Sinti und Roma.
In dessen Pressemitteilung heißt es, dass am vergangenen Freitag 34 ukrainische Geflüchtete „mit romanessprachigem Hintergrund“ durch Beamte der Polizei und Mitarbeiter der Deutschen Bahn aus einem ICE in Kassel-Wilhelmshöhe geholt worden seien, wobei ein Polizeibeamter einen Schäferhund bei sich geführt hätte.
Kassel: Zugpersonal soll sich rassistisch geäußert haben
Vor allem werden zwei Vorwürfe formuliert: Eine halbe Stunde, nachdem die Geflüchteten in den Zug eingestiegen seien, habe es eine Durchsage gegeben mit dem Wortlaut: „Aus gegebenem Anlass möchten wir Sie darum bitten, Ihre Wertsachen bei sich am Körper zu tragen.“ Eine Zugbegleiterin – so heißt es in der Pressemitteilung – habe mutmaßlich unterstellt, dass es sich bei den Menschen nicht um ukrainische Geflüchtete handelte.
Als der Zug in Kassel gehalten habe und mehrere Polizeibeamte eingestiegen seien, soll laut einer Zeugin – so Vorwurf Nummer zwei – einer der Beamten mehrfach geäußert haben, dass sie „jetzt hier durchgehen und aussortieren“.
Kassel: Bundesvereinigung der Sinti und Roma sieht „zutiefst rassistisches Ressentiment“
Romeo Franz, Generalsekretär der Bundesvereinigung der Sinti und Roma, sagte, er sei schockiert von dem mutmaßlichen Vorgehen der Polizeibeamten und der Bahn-Mitarbeiter: „Die Fälle, in denen ukrainischen Roma unterstellt wird, keine echten Kriegsflüchtlinge zu sein, häufen sich. Ihnen wird unterstellt, sich Leistungen erschleichen zu wollen – ein uraltes, zutiefst rassistisches Ressentiment.“ Unter den Menschen, die aus der Ukraine fliehen, befänden sich viele ukrainische Roma, sie gehörten zu den besonders vulnerablen Gruppen in dem Konflikt. Franz verlangt nun eine schnellstmögliche Aufklärung des Falles.
Eine Bahn-Sprecherin äußerte sich gestern schriftlich. Die Deutsche Bahn nehme die Vorwürfe sehr ernst, heißt es in der Mail. Und: „Wir werden den Vorfall intern aufklären.“ Nach Informationen unserer Zeitung sind solche Durchsagen mit einem generellen Hinweis, auf die Wertsachen aufzupassen, nicht unüblich – gerade auch vor der Ankunft an großen Bahnhöfen. Allerdings sind die Zugbegleiter in ihrer Wortwahl nicht festgelegt.
Kassel: Bundespolizei wehrt sich gegen Rassismus-Vorwürfe
Die Bundespolizei bestätigte gestern Nachmittag auf Anfrage unserer Zeitung einen Einsatz der Bundespolizei am Bahnhof Wilhelmshöhe. Die Bundespolizei sei um Unterstützung seitens der Deutschen Bahn gebeten worden, um einen „ausgesprochenen Beförderungsausschluss einer Personengruppe im ICE 370 von Basel nach Berlin“ durchzusetzen – „aufgrund Fahrens ohne Fahrschein sowie aggressiven Bettelns“.
Als die Bundespolizei eingetroffen sei, sei die Gruppe der Aufforderung gefolgt, den Zug zu verlassen. Die in Rede stehende Aussage sei durch Beamte der Bundespolizei dabei nicht getroffen worden. Im weiteren Verlauf habe sich mithilfe eines Dolmetschers herausgestellt, dass die Mitglieder der Gruppe über ukrainische Pässe und Dokumente verfügten und sich auf dem Weg nach Berlin befunden hätten.
Kassel: Ukrainische Geflüchtete konnten nach Berlin weiterreisen
Die Gruppe sei dann ins Reisezentrum der Deutschen Bahn begleitet worden, dort seien entsprechende Tickets ausgestellt worden. Aus der Ukraine Geflüchtete dürfen derzeit zwar kostenlos mit der Bahn fahren, sie benötigen allerdings dafür ein entsprechendes Ticket.
Schließlich, so heißt es von der Bundespolizei, sei die Gruppe ukrainischer Geflüchteter zum Zug nach Berlin gebracht worden. Der Gesprächspartner, über den die Kommunikation gelaufen sei, habe sich für die Unterstützung bedankt. (Florian Hagemann)