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Kassel: Polizei prügelt brutal auf Einbrecher ein – hohe Geldstrafen

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Von: Thomas Stier

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In Kassel schlagen zwei Polizisten brutal auf einen Einbrecher ein. Jetzt werden sie zu hohen Geldstrafen verurteilt – dürfen ihren Beruf aber weiter ausüben.

Kassel – Wegen Körperverletzung im Amt und Verfolgung Unschuldiger sind zwei Beamte des Nordhessischen Polizeipräsidiums zu hohen Geldstrafen verurteilt worden. Ein 52-jähriger Polizeioberkommissar wurde von der 7. Strafkammer des Landgerichts im Berufungsverfahren zu einer Strafe von 200 Tagessätzen à 90 Euro, also insgesamt 18.000 Euro verurteilt.

Er hatte bei der Festnahme eines Einbrechers im Rossmann-Markt des Fernbahnhof Wilhelmshöhe in Kassel im Februar 2019 insgesamt 24 Mal mit einem stählernen Teleskopschlagstock auf die Beine des Einbrechers eingeschlagen.

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Sein 43-jähriger Kollege, ebenfalls Polizeioberkommissar, hatte während des frühmorgendlichen Einsatzes in dem Markt sechsmal mit der Faust auf den Kopf des am Boden liegenden Mannes eingeschlagen und ihm dabei eine Fraktur im Gesicht zugefügt. Diese Gewaltanwendung befanden Richter Reichhardt und seine Schöffen zwar als „grenzwertig“, aber noch vertretbar und sprachen den Polizisten in diesem Anklagepunkt frei.

Dagegen wurde der 42-Jährige ebenso wie sein Kollege wegen Verfolgung Unschuldiger zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen à 90 Euro, also 13.500 Euro verurteilt.

Die beiden in Kassel verurteilten Polizisten erhalten zwar empfindliche Geldstrafen – ihren Beruf dürfen sie aber weiter ausüben. (Symbolbild)
Die beiden in Kassel verurteilten Polizisten erhalten zwar empfindliche Geldstrafen – ihren Beruf dürfen sie aber weiter ausüben. (Symbolbild) © Jens Büttner/zb/dpa/

Gericht in Kassel: Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte liegt nicht vor

Beide Beamte hatte noch am Morgen des Tattages eine Anzeige wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte geschrieben, weil sich der Einbrecher „mit Schlägen und Tritten“ gegen die Festnahme gewehrt habe.

Weil auf den Videos der Überwachungskameras aber keine Widerstandshandlungen erkennbar waren, sah die Kammer in dieser Anzeige lediglich den Versuch, die Verletzungen des Einbrechers plausibel zu machen.

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Das neue Urteil trifft die beiden Polizisten zwar finanziell hart, sichert ihnen aber die Chance, auch künftig als Polizeibeamte arbeiten zu können. Die Staatsanwaltschaft hatte für den Älteren zwei Jahre und drei Monate Haft, für den Jüngeren 15 Monate Haft auf Bewährung beantragt. Bei solchen Strafen hätten beide nicht nur ihre Amts- und Dienstfähigkeit verloren, sondern auch ihre Pensionsansprüche.

Die Verteidiger Frank Löwenstein und Sven Schoeller hatten auf Freispruch plädiert. Die Entscheidung zur Festnahme des möglicherweise bewaffneten und gefährlichen Einbrechers habe in Sekunden getroffen werden müssen und sei innerhalb der Regeln erfolgt, die die Beamten in ihrer Ausbildung gelernt hätten.

„Völlig lebensfremd“: Täter-Anwälte kritisieren Urteil in Polizisten-Prozess

Nach Einschätzung von Verteidiger Schoeller hätten die Beamten nie angeklagt werden dürfen: Es sei „völlig lebensfremd“, dass Polizisten in einer solchen Situation erst abwarten müssten, ob ein Täter eine Waffe ziehe. „Würde so gehandelt, gäbe es viele Tote.“ (Thomas Stier)

Nicht immer sehen Gerichte den Tatbestand der unrechtmäßigen Polizeigewalt tatsächlich als erwiesen an. Letztes Jahr war eine Studentin mit ihrer Klage gegen Polizeigewalt vor dem Verwaltungsgericht Kassel gescheitert.

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