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Kassel: „Querdenker“ bei Corona-Demo in der Minderheit

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Von: Katja Rudolph

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„Geben Kassels Straßen nicht her“: 650 Gegendemonstranten versammelten sich friedlich auf dem Königsplatz, darunter auch die Initiative „Omas gegen Rechts“.
„Geben Kassels Straßen nicht her“: 650 Gegendemonstranten versammelten sich friedlich auf dem Königsplatz, darunter auch die Initiative „Omas gegen Rechts“. © Andreas Fischer

„Querdenker“ und Gegner demonstrieren am Samstag (15.01.2022) zeitgleich in der Kasseler Innenstadt. Die Kundgebungen verlaufen friedlich.

Kassel – „Das ist ein klares Zeichen von Kassel, dass wir unsere Straßen nicht hergeben für Geschwurbel, falsche Scheiße, Verschwörungstheorien, Rechtsextremismus und Antisemitismus“, rief Jakob Alber am Samstagnachmittag (15.01.2022) den etwa 650 Menschen auf dem Königsplatz zu. Der 21-Jährige hatte die Gegendemonstration mitorganisiert, die sich gegen die erste größer angelegte „Querdenker“-Veranstaltung in diesem Jahr richtete.

Diese fand nur einige Hundert Meter weiter auf dem Friedrichsplatz statt, blieb aber kleiner als erwartet. Die Kundgebung, zu der die „Freien Bürger Kassel“ aufgerufen hatten, hatte rund 350 Teilnehmer. Beide Kundgebungen verliefen friedlich. Im Vorfeld kam es jedoch zu einem kurzen Tumult in der Nähe des Rathauses.

Nach Demo gegen „Querdenker“ in Kassel: Massive Kritik an Polizei, die mit Härte vorgeht

Ein Pulk schwarz gekleideter Antifa-Anhänger hatte sich vor den Zug der Gegendemonstranten auf dem Weg zum Königsplatz gesetzt. Die Antifa scherte plötzlich aus und versuchte, zu der etwa 80-köpfigen Gruppe durchzudringen, die auf einem sogenannten Spaziergang von der Stadthalle zur „Querdenker“-Demo unterwegs war. Die Polizei, die am Samstag auf die Trennung beider Lager setzte, verhinderte dies und nahm rund 35 Personen vorläufig fest, wie ein Sprecher mitteilte. Diese müssen sich nun wegen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz verantworten.

In sozialen Netzwerken wurden im Nachgang massive Kritik an der Polizei geübt, diese sei aggressiv mit aller Härte gegen die linken Gegendemonstranten vorgegangen. Ein Polizeisprecher sagte am Sonntag, diese Vorwürfe seien bislang nicht auf offiziellem Weg an sie herangetragen worden. Beschwerden werde man selbstverständlich nachgehen.

Große Zahl der „Querdenker“ ohne Maske: Polizei ahndet Verstöße nicht

Verstöße gegen die Maskenpflicht gab es in großer Zahl unter den Teilnehmern der „Querdenker“-Kundgebung. Diese wurden von der Polizei jedoch nicht geahndet. Ein anderes, regelkonformes Bild bot sich bei der Gegendemonstration: Dort trugen sämtliche Teilnehmer Masken. Auch Zoe-Darleen Reuß aus Korbach und Aljana Elena Harras aus Gudensberg waren nach Kassel gekommen, um ein Zeichen gegen die „Querdenker“ zu setzen. „Es geht darum, zu zeigen, dass es ganz einfach sein kann, alle zu schützen, indem man sich impfen lässt und Maske trägt“, sagte die 18-jährige Harras.

Einer der Redner der Gegendemo war Oliver Köhler vom Verein Sperrmauer-Museum Edersee. Dieser Tag zeige, dass die „Querdenker“ nicht die Mehrheit seien, sagte er. Sie müssten akzeptieren, dass in einer Demokratie das Prinzip der Mehrheit gelte. „Und dass die Impfpflicht ein Ausdruck der Solidarität mit allen ist.“ Mit ihrer pauschalen Ablehnung aller Corona-Maßnahmen verhöhnten „Querdenker“ all jene Menschen, die an Covid-19 gestorben seien, so Köhler. Es sei auch unerträglich, „wenn Leute sich hinstellen, den Holocaust leugnen und sagen, das ist Meinungsfreiheit“, sagte er. „Das ist Verdummung.“

Vor dem Fridericianum: Dort nahmen etwa 300 Menschen an der Kundgebung der „Querdenker“ teil.
Vor dem Fridericianum: Dort nahmen etwa 300 Menschen an der Kundgebung der „Querdenker“ teil. © Andreas Fischer

Gastredner bei „Querdenker“-Kundgebung: „Seit 70 Jahren wird der ganze Staat kaputtgemacht“

Für dumm hielt die Gegenseite ganz andere Dinge. Bei der Kundgebung vor dem Fridericianum ließ Freie-Bürger-Organisatorin „Sunny“ die Menge dafür applaudieren, dass auch einige Geimpfte unter den Demonstranten seien. Es gehöre Mut dazu, „sich einzugestehen, dass man einen Fehler gemacht hat und die Seite zu wechseln“, sagte sie. Die Politik habe alles dafür getan, um die Menschen zu täuschen. „Der eine merkt es sofort, der andere später, manche nie.“

Auch Gastredner Hermann Ploppa, Autor bei der Protest-Zeitung „Demokratischer Widerstand“, erntete viel Beifall: „Seit 70 Jahren wird der ganze Staat kaputtgemacht“, sagte der Politologe, dessen Bücher im rechtslastigen Kopp-Verlag erscheinen. Er sei „beglückt“, dass seit Weihnachten so viele Menschen protestierten, sagte Ploppa: „Unsere Schwester und Brüder in Ostdeutschland machen es uns vor.“

„Querdenker“-Demo am Friedrichsplatz: Vorgefertigte Schilder und Mützen für zwölf Euro

Eine von Organisatorin Sunny als „Bananendeutschlandrepubliksmütze“ angepriesene Mütze für zwölf Euro, auf der eine Banane auf schwarz-rot-goldener Flagge zu sehen ist, fand reißenden Absatz unter den Teilnehmern der „Querdenker“-Demo. Ein weiteres Mützenmodell trug die Aufschrift „Sei mutig – denke selbst“. Wer auf der Demo ein Plakat hochhalten wollte, musste dies aber nicht einmal tun.

Vorgefertigte Schilder mit Sprüchen wie „PCR-Test stellt keine Krankheit fest“ oder „Keine Maske für Kinder“ standen bereit. Nach dem Ende des Aufzugs der „Querdenker“, dem sich laut Polizei bis zu 450 Menschen anschlossen, kehrte gegen 17.40 Uhr wieder Ruhe ein im Corona-Hotspot Kassel. (Katja Rudolph)

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