Zudem entschied die Jamaika-Koalition mit dem neuen OB weitere Zuständigkeiten. So erhält die CDU das Vorschlagsrecht für das Dezernat für Bürgerangelegenheiten und Soziales, das um Digitalisierung und Tourismus erweitert wird, sowie das Dezernat für Ordnung, Sicherheit und Sport. Mögliche Bewerber für die Ämter stehen noch nicht fest. Klar ist nur: Die gescheiterte OB-Spitzenkandidatin Eva Kühne-Hörmann hat bereits erklärt, dass sie nicht Dezernentin werden will.
Die FDP als kleinster Partner erhält das Vorschlagsrecht für das neue Dezernat Kämmerei und Wirtschaft. Bislang ist Oberbürgermeister Christian Geselle Kämmerer. Nach HNA-Informationen könnte für die Finanzen FDP-Fraktionschef Matthias Nölke zuständig werden. Er selbst wollte dazu noch nichts sagen.
Die Neuordnung der Dezernate war auch deshalb nötig geworden, weil der designierte Oberbürgermeister Schoeller erklärt hatte, anders als Geselle, nicht Kämmerer sein zu wollen. Die Grünen stellen ab dem 22. Juli nicht nur den OB, sondern sind auch weiterhin für die Dezernate Jugend, Gesundheit, Bildung und Chancengleichheit (Nicole Maisch) sowie Stadtentwicklung, Bauen, Umwelt und Verkehr (Christof Nolda) verantwortlich.
Während bei Maisch klar ist, dass sie mindestens bis 2027 weitermachen soll, endet Noldas Amtszeit bereits im Dezember. Die Frage, ob und wie es für ihn weitergeht, wollte er gestern nicht beantworten.
Als sich die Kasseler Kulturszene für Susanne Völker starkmachte, war ihr Schicksal quasi schon besiegelt. Vorigen Donnerstag veröffentlichten Kulturleute um den Staatstheater-Intendanten Florian Lutz einen Offenen Brief, in dem knapp 70 Unterzeichner fordern, dass das Kulturdezernat von Völker eigenständig bleiben soll.
Doch schon am Dienstag hatte die Jamaika-Koalition aus Grünen, CDU und FDP entschieden, dass der künftige Oberbürgermeister Sven Schoeller für Kultur verantwortlich sein soll. Die Gremien mussten das nur noch bestätigen. Gestern wurde das Ergebnis verkündet.
Staatstheater-Chef Lutz hatte sich sogar persönlich an Schoeller gewandt, um für „eine Fortsetzung der guten Zusammenarbeit“ mit der parteilosen Völker zu werben, wie er der HNA sagte. Er schätzt unter anderem „ihr unermüdliches Engagement für die Kasseler Kultur“. Auch Martin Sonntag von der Caricatura sagt: „Wir hatten sechs sehr gute Jahre für die Kultur. Susanne Völker ist eine Fachfrau, die viel in die Wege geleitet hat. In der Szene gibt es eine große Wertschätzung für sie.“
Trotzdem wird der neue OB auch für die Kultur zuständig sein. Schoeller hat immer wieder betont, dass das Amt des Rathaus-Chefs und des Kämmerers in zwei Hände gehört – anders als es Geselle in seiner Doppelfunktion praktiziert. Durch die Trennung seien Ressourcen geschaffen worden, die nun der Kultur zugutekämen, wie er gestern sagte: „Die Aufmerksamkeit, die das Amt des Oberbürgermeisters auf sich zieht, ist sehr nützlich, um der Bedeutung der Kasseler Kultur gerecht zu werden.“
Völker hatte er Ende voriger Woche über die Entscheidung informiert. Die Kulturdezernentin hätte sich „gut vorstellen können, die Kulturkonzeption 2030 fortzusetzen“. Die vergangenen sechs Jahre seien prägende Jahre gewesen. Die ehemalige Grimmwelt-Geschäftsführerin ist überzeugt, dass die Kultur in Kassel in ihrer Amtszeit „strukturell gestärkt wurde“. Der Offene Brief habe sie sehr berührt. Wie es für sie ab September weitergeht, ließ die 43-Jährige offen.
Aber ich gehe ohne Groll
Auch die scheidende Sozialdezernentin Ilona Friedrich wollte noch nichts über ihre Zukunft sagen. Dass sie und ihr SPD-Kollege Dirk Stochla (Ordnung, Sicherheit und Sport) ihre Posten angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Stadtparlament räumen müssen, hatte sich längst abgezeichnet.
Die gestern verkündete Entscheidung sei keine Überraschung gewesen. Die 61-Jährige fragt sich aber, ob Jamaika es schaffen wird, den hauptamtlichen Magistrat wieder paritätisch nach Geschlechtern zu besetzen. Derzeit gibt es drei Frauen und drei Männer. „Da waren wir in Kassel wegweisend. Hoffentlich gibt es keinen Rückschritt“, sagt Friedrich.
Der stellvertretende Kasseler CDU-Parteichef Maximilian Bathon sieht das etwas anders: „Wichtiger als Geschlechterparität ist mir Qualität. Sonst hat man am Ende jemanden wie die ehemalige Verteidigungsministerin Christine Lambrecht. Wir brauchen gute Leute.“ (Matthias Lohr)
Die Kasseler Kulturszene meldet sich politisch zu Wort. Sie wollen das Kulturdezernat als eigenständiges Ressort erhalten.
Sven Schoeller ist der erste grüne Oberbürgermeister in Kassel.