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Lina E.: Wie radikal ist die Studentin aus Kassel wirklich?

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Von: Diana Rissmann, Matthias Lohr, Kathrin Meyer

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Am 6. November wurde die Linksextremistin Lina E. von Elitepolizisten zum Generalbundesanwalt nach Karlsruhe gebracht.
Auf dem Weg zum Generalbundesanwalt: Am 6. November wurde Lina E. von Elitepolizisten nach Karlsruhe gebracht. Der aus Kassel stammenden 25-Jährigen werden schwere Gewaltdelikte vorgeworfen. Sie ist nach wie vor in Untersuchungshaft. © Ronald Wittek/EPA-EFE/SHUTTERSTOCK

Der Lina E. aus Kassel wird vorgeworfen, Anführerin einer linksextremistischen Gruppe zu sein, die brutal gegen politische Gegner vorgeht. Wer ist diese unscheinbare Frau?

Update vom 27.03.2021, 16.48 Uhr: Der aus Kassel stammenden Studentin Lina E. wird vorgeworfen die Anführerin einer linksextremen Gruppe sein. Gemeinsam mit zehn weiteren Personen soll sie eine kriminelle Vereinigung gegründet haben. Ein schwerer Vorwurf, denn der Tatvorwurf nach Paragraf 129 ist einer der härtesten im Strafgesetzbuch, schreibt auch zeit.de und zählt Beispiele auf: So wurden Mitglieder der Hells Angels, von Drogenhändler-Banden oder Neonazi-Kameradschaften als kriminelle Vereinigungen verurteilt.

Wir radikal ist Lina E. aus Kassel: Recherchen wecken Zweifel an der junge Frau als Terroristin

Auch Lina E., die zum Zeitpunkt ihrer Festnahme in Leipzig Erziehungswissenschaften im Master studiert, werden laut dem Haftbefehl „staatsgefährdende Delikte“ im „Grenzbereich“ zum Terrorismus vorgeworfen. Die Recherchen der Zeit hingegen stellen das nun infrage. Unter die Lupe genommen wurde die Arbeit der Soko Linx, eine 2019 in Leipzig gegründete Sondereinheit der Polizei Leipzig, die sich mit linksextremistischen Straftaten beschäftigt.

Laut den Recherchen der Zeit sei Lina E. den Ermittlern ins Auge gefallen, als sie mit einer größeren Gruppe im Jahr 2019 vier Rechtsextreme mit Stangen, Schlagstöcken, einem Hammer und Reizgas überfallen haben soll, berichtet die Zeit. Sie wurde danach observiert und als Anführerin hingestellt - eine These, an der laut der Zeit mittlerweile sogar Ermittler zweifeln würden. Die Zeit sprach mit den Anwälten der jungen Frau und mit Freunden, die Lina E. als nicht radikal einstufen. Ist die junge Frau also eine Terroristin, oder nicht? Einige Zweifel bleiben.

Lina E.: Wie konnte sich die Studentin aus Kassel so radikalisieren?

Erstmeldung vom 08.12.2020, 12.04 Uhr: Kassel – Als sie noch in Kassel lebte, war die Frau, die die gefährlichste Linksextremistin Deutschlands sein soll, noch eine unauffällige Schülerin. „Sie war eine graue Maus, die sich nicht zu Wort gemeldet hat“, sagt ihr ehemaliger Ethik-Lehrer an der Jacob-Grimm-Schule über Lina E.

Nun soll die 25-jährige Anführerin einer linksextremen Vereinigung sein. Am 5. November wurde die Frau aus dem Leipziger Stadtteil Connewitz vom sächsischen LKA festgenommen und nach Karlsruhe gebracht. Zum ersten Mal seit langer Zeit ermittelt der Generalbundesanwalt damit gegen eine Linksextremistin.

Eisenach: Verübte die Studentin aus Kassel Anschläge auf eine Kneipe?

Lina E. wird unter anderem vorgeworfen, Anschläge auf eine Kneipe bei Eisenach verübt zu haben, die von dem Neonazi Leon R. betrieben wird und ein Treffpunkt der rechten Szene ist. Die Behörden sehen die zehnköpfige Gruppe an der Schwelle zum Terrorismus. Wie hat sich Lina E. derart radikalisiert?

Wer an ihrer ehemaligen Schule nachfragt, erhält darauf keine Antwort. Kerstin Otto, Leiterin der Jacob-Grimm-Schule, möchte zu dem Fall nichts sagen. Auch Lina E.s ehemalige Tutorin will sich nicht äußern. Anderen ist die ehemalige Heinrich-Schütz-Schülerin, die zur Oberstufe auf das Gymnasium an der Wilhelmshöher Allee wechselte, kaum in Erinnerung geblieben, weil sie „relativ unscheinbar“ war, wie ein Lehrer sagt. Mitschüler beschreiben sie als freundlich. In ihrer Freizeit trat sie mit anderen Hobby-Artisten im Circus Rambazotti auf. Hin und wieder soll sie auf Demos gewesen sein. Offenbar hatte die in Kirchditmold aufgewachsene Lina E. eine ganz normale Jugend.

Teilnehmer einer Demonstration ziehen mit roten Pyro-Fackeln durch den Leipziger Stadtteil Connewitz.
Teilnehmer einer Demonstration ziehen mit roten Pyro-Fackeln durch den Leipziger Stadtteil Connewitz. Hier lebte auch die Linksextremistin Lina E. © Hendrik Schmidt/dpa

Lina E. aus Kassel: Junge Frau setzte sich während des Studiums mit Rechtsextremismus auseinander

Nach dem Abitur 2013 studierte sie in Halle an der Saale Erziehungswissenschaften. Laut Recherchen der „Welt“ setzte sie sich dort verstärkt mit dem Rechtsextremismus auseinander. In ihrer Bachelor-Arbeit ging es um Jugendarbeit mit Neonazis – am Beispiel des Jugendclubs Winzerla. In dem Treffpunkt in Jena hatten sich Anfang der 90er die späteren Rechtsterroristen Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe kennengelernt. Sie wurden damals nicht rausgeworfen. Das sozialpädagogische Konzept sah vor, dass man auch mit rechten Jugendlichen redet.

Im Wintersemester 2019 schrieb sich Lina E. noch für ein Master-Studium ein, war da aber wohl längst tief in der linksextremistischen Szene. Sie lebt bis zu ihrer Festnahme im Leipziger Stadtteil Connewitz, der als Hochburg der Linken gilt und in dem sich Autonome regelmäßig Auseinandersetzungen mit der Polizei liefern.

Vereinigung soll 2019 entstanden sein - War Lina E. aus Kassel an Angriff auf Mann beteiligt?

Die Ermittler der Soko Linx beim sächsischen LKA vermuten, dass die kriminelle Vereinigung, gegen die nun ermittelt wird, Anfang 2019 entstand. Lina E. stößt spätestens im September dazu. Die Anschuldigungen sind schwerwiegend. Der Haftbefehl gegen Lina E. bezieht sich auf die Tat im Oktober 2019 in Eisenach. Der in der rechten Szene weit über Thüringen hinaus bekannte Betreiber der Gaststätte wird mit Schlagstöcken, Faustschlägen und Reizgas angegriffen und verletzt.

Wenig später versucht Lina E. laut Bundesanwaltschaft in einem Baumarkt zwei Hämmer zu stehlen, die wohl als Tatwaffen zum Einsatz kommen sollen. Als sie von einem Sicherheitsmitarbeiter ertappt wird, flieht sie und versetzt dem Mann einen Stoß in den Bauch. Trotzdem wird sie gestellt und ist nun polizeibekannt.

Dennoch greift die Gruppe den Gaststättenbetreiber Leon R. erneut an. Laut den Ermittlern setzt Lina E. Reizgas ein, während andere mit Schlagstöcken, einem Hammer, Radschlüsseln und Stangen auf das Opfer einschlagen. Zu diesem Zeitpunkt lebt die Nordhessin längst „klandestin“, wie Ermittler „im Verborgenen“ nennen. In ihrer Wohnung finden die Beamten laut „Welt“ mehrere Tüten mit Perücken und Handys. Die Miete soll ihre Mutter gezahlt haben. Gemeldet war Lina E. bis zuletzt in Kassel. Ihr Freund wurde ebenso wie die restlichen Gruppenmitglieder nicht verhaftet. Angeblich ist er untergetaucht.

Junge Frau aus Kassel in Untersuchungshaft: Anwalt von Lina E. äußert sich vorerst nicht

Nach HNA-Informationen werden Lina E. eine Vielzahl weiterer Delikte vorgeworfen. Auch diese Taten sollen mit großer Brutalität begangen worden sein. Die Opfer wurden teils schwer verletzt. Laut einem Sprecher der Bundesanwaltschaft liegt weiterhin ein dringender Tatverdacht gegen Lina E. vor. Sie befindet sich nach wie vor in Untersuchungshaft.

Ihr Leipziger Anwalt will sich derzeit noch nicht inhaltlich zu dem Fall äußern. Es bleiben also weiterhin viele offene Fragen zu der zierlichen Frau, die auf einem der wenigen Fotos nicht wie eine typische Linksextremistin aussieht. Als Lina E. Anfang November von bewaffneten Elitepolizisten zum Generalbundesanwalt in Karlsruhe gebracht wird, steigt sie in Minirock und schwarzen Nike-Sneakern aus dem Hubschrauber. Ihre Fingernägel sind rot lackiert. (Matthias Lohr und Kathrin Meyer)

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