Kassel: Alte Fotos aufgetaucht - So sah der Brüder-Grimm-Platz um das Jahr 1900 aus

Angesichts der Debatte um die Neugestaltung des Brüder-Grimm-Platzes in Kassel wirken die Fotos von Georg Friedrich Leonhardt wie aus einer anderen Welt.
Kassel – Einer inszenierten, heilen Welt, denn bei den Aufnahmen, die zwischen 1890 und 1913 entstanden, musste alles stimmen. Da geht kein Passant zufällig durchs Bild, oft traten auch Familienmitglieder genau arrangiert in Erscheinung. Was dabei herauskam, ist eindrucksvoll und in diesem Fall bislang auch noch nicht veröffentlicht.
Hartwig Bambey (Sternbald Verlag), der den umfangreichen Nachlass von Leonhardt (1850 bis 1929) für Bücher und Ausstellungen verarbeitet, hat uns einige Fotos des früheren Wilhelmshöher Platzes in Kassel zur Verfügung gestellt.
Alte Bilder zeigen Brüder-Grimm-Platz in Kassel um 1900
Auffällig ist, wie viele Bäume es damals rund um den Platz gab. Das waren allerdings Laubbäume, aktuell sind Kiefern vorgesehen. Straßenbahnen und Gleise auf der Wilhelmshöher Allee gab es damals wie heute. Das Landesmuseum und die Torwache kann man ebenfalls erkennen. Unwahrscheinlich, dass diese historischen Ansichten für die aktuelle Planung eine größere Rolle spielen werden. In den nächsten Wochen will Kassels Baurat Christof Nolda überarbeitete Entwürfe vorlegen - an den ersten Entwürfen zur Umgestaltung des Brüder-Grimm-Platzes gab es heftige Kritik.

Bilder vom alten Grimmplatz in Kassel - ein Stück jüngere Stadtgeschichte
Unabhängig davon ermöglichen die Fotos einen interessanten Blick zurück. Leonhardt hatte 1883 seine „Photografische Kunstanstalt“ in Kassel gegründet. Bis Anfang des 20. Jahrhunderts hat er zahlreiche Aufnahmen in der Stadt gemacht. Manche Straßenzüge haben sich komplett verändert, am Brüder-Grimm-Platz, der damals Wilhelmshöher Platz hieß, kann man aber den Bezug zur Gegenwart noch gut herstellen. So bilden die Fotografien ein Stück der jüngeren Stadtgeschichte ab.
Nahezu alle Fotos von Leonhardt haben die Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg überstanden. Der Fotograf vererbte die Aufnahmen seinen Töchtern, darunter auch Änne Leonhardt. Die hat den bekannten Kasseler Heimatforscher, Schriftsteller und Mundartdichter Paul Heidelbach geheiratet.

Das Ehepaar ist rechtzeitig vor der Bombennacht aus seinem Haus an der Wolfsschlucht aufs Land nach Grifte (heute Edermünde) gezogen. Dorthin hat es auch die Fotos mitgenommen. Enkel Ulrich Helbing hat sie aufbewahrt und arbeitet mit Hartwig Bambey zusammen.
Aus dem großen Fundus der Leonhardt-Fotos war bereits eine Ausstellung in der Kasseler Sparkasse zu sehen. Aktuell ist eine weitere Präsentation in Vorbereitung. Die soll im kommenden Jahr in der Karlskirche gezeigt werden. (Thomas Siemon)
Erst Ende vergangenen Jahres waren bislang unveröffentlichte historische Fotos vom alten Kassel aufgetaucht. Weitere Nachrichten aus der Stadt gibt es in unserem kostenlosen Kassel-Newsletter.