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Kassel: Städtisches Modell für Bau öffentlicher Gebäude steht in der Kritik

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Von: Bastian Ludwig

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Der Neubau des Polizeireviers Kassel Ost in Waldau.
Stößt auf Kritik der Architekten: Der Neubau des Polizeireviers Kassel Ost in Waldau wurde auch von der städtischen Projektentwicklungsgesellschaft GWGpro beauftragt. © Skypic Andreas Fischer

Die Stadt Kassel will beim Bau öffentlicher Gebäude schneller vorankommen. Dazu hatte sie die GWGpro gegründet. Doch an dem Vorgehen gibt es Kritik von Architekten.

Kassel – Vor allem bei den maroden Schulen soll es laut der Stadt schneller vorangehen. Deshalb gibt es nun die GWGpro, eine Tochter des städtischen Wohnungsbauunternehmens GWG. Mit dieser kann sie abseits von Haushaltszwängen und ohne die Kontrolle der Finanzaufsicht große Millionenbeträge investieren.

Marc Köhler, Vorsitzender des Bundes der Architektinnen und Architekten (BDA), sieht demokratische Regeln gebeugt: „Wenn eine Gesellschaft wie die GWGpro losgelöst von Stadtverordnetenentscheidungen und vom Vergaberecht agieren darf, dann geben die Stadtverordneten die Hoheit ab.“ Wichtige Abstimmungs- und Beteiligungsprozesse würden ausgehebelt. Davon betroffen seien auch der regionale Mittelstand und das lokale Handwerk, die vom regulären Vergabeverfahren präferiert würden.

„Die Kommune sollte die Kontrolle über die Planung nicht abgeben. Zu sagen, wir müssen sie abgeben, weil unser Bauamt das personell nicht stemmen kann, ist ein Offenbarungseid“, sagt Köhler. Erst sei das Bauamt personell und finanziell unzureichend ausgestattet worden und dann sei mit der GWGpro eine externe Gesellschaft gegründet worden, die die liegen gebliebenen Aufgaben erfüllen solle.

Mit Matthias Foitzik (foundation 5+), Guido Höfert (HHS Planer und Architekten) und Hagen Sparbrodt (Bieling Architekten) sehen weitere Architekten ein Problem darin, wenn die Stadt und die GWGpro Generalübernehmer für Bauprojekte einsetzen. Ein öffentlicher Bauherr dürfe Generalübernehmer aus rechtlichen Gründen nur in begründeten Ausnahmen beauftragen. Anders als bei der klassischen Vergabe, bei der die Kommune alle Leistungen einzeln ausschreibe und beauftrage, beraube sich die Stadt mit einem Generalübernehmer vieler Entscheidungsspielräume.

„Man kann Kapazitäten auslagern, aber nicht die Verantwortung. Die Kommune sollte die Kontrolle behalten“, findet Sparbrodt. Letztlich könne man der Kommune und auch der GWGpro zwar nicht verbieten, mit Generalübernehmern zu bauen. Die Architekten plädieren in dem Fall aber dafür, durch Wettbewerbe und Beteiligungsverfahren bei der Vergabe für Qualität zu sorgen. Ein Negativbeispiel sei das neue Polizeirevier Ost.

„Wir sind nicht nur Architekten, die Aufträge bekommen wollen, sondern auch Bürger. Unsere Lebensumwelt und ihre Gestaltung werden durch Gebäude entscheidend geprägt. Insofern muss es eine Rolle spielen, wie ein Haus aussieht“, sagt Sparbrodt. Nicht nur der Preis und das Tempo spielten eine Rolle, sondern vor allem die städtebauliche und architektonische Qualität sei entscheidend, ergänzt Höfert.

Zudem bezweifeln die Architekten, dass das Bauen durch Generalübernehmer, die für die komplette Abwicklung zuständig sind, zwangsläufig schneller geht. Einige Jahre verwende die Kommune oft allein darauf, die Finanzierung zu klären und die Bedürfnisse der Nutzer zu ermitteln. Dieser Prozess werde auch durch Generalübernehmer nicht beschleunigt.

Stadt reagiert empört

Die Stadt Kassel weist die Kritik an der GWGpro scharf zurück. Keinesfalls verstoße diese gegen das Vergabe- und Wettbewerbsrecht. Richtig sei, dass mit der GWGpro eine deutliche Entlastung der Ämter der Stadt Kassel möglich werde.

Auch im Hinblick auf die haushaltsrechtlichen Vorgaben sei es so erst möglich, bei dringend notwendige Sanierungen und Neubauten von Schulen, Sporthallen und Kindertagesstätten für Tempo zu sorgen. „Das Kasseler Weg beim Schulbau findet bundesweit große Beachtung und ist ein Erfolg“, so Oberbürgermeister Christian Geselle.

Der Vorwurf, dass die Stadt Kassel die Kontrolle über die Planung städtischer Projekte abgegeben habe, entbehre jeglicher Grundlage. 2018 habe die Stadtverordnetenversammlung der Gründung der GWGpro zugestimmt. Die Vorhaben der städtischen Tochtergesellschaft würden den Stadtverordneten für die entsprechenden Grundsatzentscheidungen vorgelegt. Auch Generalübernehmerverfahren kämen bei der Umsetzung der geplanten Bauvorhaben „in Einzelfällen“ in Betracht.

Die Behauptung, dass im Bauamt Personal fehle, sei überdies widerlegbar. Zwischen 2019 und 2023 seien 28,5 Vollzeitstellen unbefristet und neun Vollzeitstellen befristet geschaffen worden. (Bastian Ludwig)

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