1. Startseite
  2. Kassel

Kasseler Chefärztin über Fortschritt bei Brustkrebs-Impfung

Erstellt:

Von: Anna Weyh

Kommentare

Die häufigste Krebserkrankung bei Frauen: Auf der Bildschirmdarstellung einer Magnetresonanz-Mammografie ist ein winziger Tumor in der Brust einer Patientin zu sehen. Symbo
Die häufigste Krebserkrankung bei Frauen: Auf der Bildschirmdarstellung einer Magnetresonanz-Mammografie ist ein winziger Tumor in der Brust einer Patientin zu sehen. Symbo © Jan-Peter Kasper/dpa

Die Forschung zur Brustkrebs-Impfung steckt noch in den Kinderschuhen. Dr. Sabine Schmatloch, Chefärztin des Brustzentrums am Elisabeth-Krankenhaus, über den aktuellen Stand.

Kassel – Mit mehr als 70 000 Neuerkrankungen pro Jahr ist Brustkrebs die mit Abstand häufigste Krebserkrankung bei Frauen. Dazu kommen noch einmal 5000 bis 6000 Patientinnen, die an einer Vorstufe des Mammakarzinoms erkranken. Knapp ein Prozent der Neuerkrankungen betrifft Männer. Nun gibt es einen Fortschritt in der Forschung: Eine Impfung gegen Brustkrebs zeigt bei den Probandinnen in der ersten Phase der Studie gute Wirkung. Dazu im HNA-Interview Dr. Sabine Schmatloch, Chefärztin des hessenweit größten Brustzentrums im Elisabeth-Krankenhaus in Kassel.

Frau Schmatloch, an einer Impfung gegen Brustkrebs wird gerade geforscht. Was versprechen die vorläufigen Ergebnisse?

Zunächst muss man sagen: Bei dieser Brustkrebs-Impfung handelt es sich nicht um eine präventive Impfung im Sinne von: Wir impfen uns und werden nicht krank. So ist es hier nicht. Es werden Patientinnen geimpft, die bereits an einer bestimmten Tumorart erkrankt sind und die auch schon metastasiert sind. Das heißt, sie haben im Knochen, in der Leber, in der Lunge oder an einer anderen Stelle in ihrem Körper bereits Absiedelungen des Tumors, also der Brustkrebs hat gestreut.

Die Forschung zu dieser Impfung steckt aktuell noch in den Kinderschuhen. Es liegen Ergebnisse aus der Phase-I-Studie vor – bis es zur Zulassung kommen kann, müssen viele weitere Testphasen mit entsprechenden Ergebnissen folgen.

Was passiert in dieser ersten Studienphase genau?

In der ersten Phase liegt der Fokus auf dem Finden der richtigen Dosierung: Welche Dosis ruft bei den Betroffenen die beste Immunantwort hervor? Bislang wurde der Impfstoff – wie in diesem frühen Stadium üblich – erst an einer kleinen Gruppe von 66 Patientinnen getestet. Alle Patientinnen leiden an einem HER2-positiven metastasierten Mammakarzinom. Diese Probandinnen wurden anschließend etwa zehn Jahre lang beobachtet. Die ersten Ergebnisse sehen gut aus.

Wie gut genau?

Es gibt da ja immer diese Zahlen: Nach fünf Jahren leben von den betroffenen Frauen ohne Impfung noch 50 Prozent, bei den Geimpften waren es noch 80 Prozent. Aber es wird sicher noch einige Jahre dauern, bis es da ein wirklich verlässliches Ergebnis gibt.

Was ist das für eine Art Brustkrebs, an der diese Frauen leiden?

Das HER2-positiv-Karzinom ist eine aggressive Tumorform. Etwa 15 bis 20 Prozent aller Mammakarzinome sind HER2-positiv. Das bedeutet, dass auf der Zelloberfläche des Tumors bestimmte Andockstellen für Wachstumsfaktoren sind. Die Zellen sind bei diesen Patientinnen überexpremiert – das heißt, in sehr hoher Zahl vorhanden. Die Zelle kann sich also ganz schnell teilen und der Tumor schreitet fort.

Und die Impfung verhindert das Wachstum?

Der Impfstoff enthält DNA, also quasi den Bauplan für die Antikörper, die die Patientinnen sonst als Therapie extra zugeführt bekommen. Es ist sozusagen eine Behandlung, die der Körper durch den Impfstoff lernt selbst zu produzieren. Das ist wirklich schlau. Über die Antikörper, die sich nach der Impfung im Körper bilden, scheint die Immunantwort sogar höher zu sein als bei den Antikörpern, die – wie bislang – nach der zugeführten Therapie entstehen.

Das Ziel der Impfung ist es aber, diese Patientinnen zu heilen?

Die Patientinnen, die in dieser Studie sind und für den Impfstoff in Frage kommen, sind metastasiert. Die metastasierte Situation ist eine besondere: Hier geht es darum, Symptome zu lindern und die Lebensqualität der Patientinnen zu erhalten. Dies durch eine Impfung zu erreichen, könnte gegebenenfalls belastende Therapien ersparen.

Zur Person

Dr. Sabine Schmatloch wurde 1971 in Eichstätt in Bayern geboren. Sie studierte Medizin in Regensburg und Würzburg. Zwölf Jahre war sie an der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Klinikum Kassel tätig. Dort machte sie ihren Facharzt, spezialisierte sich auf den Schwerpunkt gynäkologische Onkologie. 2012 wechselte sie an das Elisabeth-Krankenhaus Kassel, seit 2015 ist sie dort Chefärztin des Brustzentrums.

Das Mammakarzinom könnte dann eventuell auch im bereits metastasierten Stadium zu einer chronischen, nicht mehr weiter fortschreitenden Erkrankung werden: Der Körper kann die Erkrankung selbst im Zaum halten. Das Ziel muss es nach entsprechenden Ergebnissen natürlich sein, diesen Erfolg, auf andere Tumorbiologien zu erweitern.

Wie geht es jetzt weiter in der Forschung?

In der nächsten Phase der Studie gibt es dann mehr Patientinnen, bei denen die Wirkung der Impfung beobachtet wird. Die Phase-III-Studie zeichnet sich dadurch aus, dass Forscherinnen und Forscher die Immunwirkung bei Patientinnen nach der Impfung mit der von Patientinnen mit einer herkömmlichen Therapie vergleichen.

Auch die Nachbeobachtung ist extrem wichtig. Denn, was die Impfung gemacht hat, ist, die eigene Immunantwort nach oben zu pushen. Der Körper hat mehr Abwehrzellen. Das ist gut, aber die Gefahr besteht, dass diese Zellen plötzlich ein eigenes Organ angreifen könnten. Dann leiden die Patientinnen unter einer Autoimmunerkrankung. Deshalb die lange Nachbeobachtung: Wir müssen beobachten, was passiert.

Wie sehen aktuell die Chancen für Patientinnen nach der Diagnose Brustkrebs aus?

Brustkrebs ist bei uns die häufigste Krebserkrankung bei Frauen, aber: Viele Patientinnen können heute geheilt werden. Fast 90 Prozent der Patientinnen überleben die ersten fünf Jahre nach ihrer Diagnose. Durch Früherkennungsmaßnahmen und Vorsorgeuntersuchungen wird die Erkrankung immer früher entdeckt – und je früher der Krebs entdeckt wird, desto größer sind die Heilungschancen.

Auch interessant

Kommentare