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Kasseler Firmen im Halbfinale des Hessischen Gründerpreises

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Von: Nicole Schippers

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Nachfolger gefunden: Der 33-jährige Björn Henk hat die Gabelstapler Gratzer GmbH Anfang 2018 vom ehemaligen Inhaber Werner Gratzer übernommen.
Nachfolger gefunden: Der 33-jährige Björn Henk hat die Gabelstapler Gratzer GmbH Anfang 2018 vom ehemaligen Inhaber Werner Gratzer übernommen. © Nicole Schippers

Unternehmer haben oft Schwierigkeiten, Nachwuchs in den eigenen Reihen zu finden. Viele regeln ihre Nachfolge deshalb familienextern.

Zwei Kasseler haben den Schritt gewagt und stehen nun im Halbfinale des Hessischen Gründerpreises. Die Betriebsnachfolge bereitet vielen Unternehmern Sorge. Immer schwieriger wird es für viele von ihnen, jemanden zu finden, in dessen Hände sie ihre Firma geben können und wollen. 

Zwei geglückte Kasseler Beispiele für die Zukunftssicherung sind der Gabelstapler-Service Gratzer und das Zerspanungsunternehmen MTO. Beide stehen in der Kategorie „Zukunftsfähige Nachfolgelösung“ im Halbfinale des Hessischen Gründerpreises.

Gabelstapler Gratzer

In den ersten drei Monaten hat Björn Henk alles selbst gemacht, die Geschäftsführung, Buchhaltung und Beratung sowie die Wartung und Reparatur der Gabelstapler. Schließlich war er der einzige Mitarbeiter der Gabelstapler Gratzer GmbH, nachdem er den Betrieb im Januar 2018 übernommen hatte. Inzwischen beschäftigt der 33-Jährige fünf Mitarbeiter und will sein Unternehmen, das neue und gebrauchte Gabelstapler verschiedener Hersteller verkauft, vermietet und repariert, weiter ausbauen.

Durch Zufall hatte Henk den früheren Inhaber Werner Gratzer kennengelernt. Die beiden kamen ins Gespräch und Gratzer erzählte von seinen Problemen, einen Nachfolger für seine Firma zu finden, die er inzwischen allein mit seiner Frau führte. Bei Henk stieß er auf offene Ohren. „Ich wollte mich schon länger selbstständig machen“, sagt der gelernte Speditionskaufmann.

Henk, der berufsbegleitend ein BWL-Studium absolviert hat, prüfte den Betrieb auf Herz und Nieren und kam schnell zu dem Entschluss, ihn übernehmen zu wollen. „Es war ein sehr solides Unternehmen und Herr Gratzer war immer sehr offen und ehrlich zu mir“, beschreibt er seine Beweggründe.

Der verheiratete Vater zweier Kinder bereut den Schritt keinesfalls. „Es läuft gut. Unser Vorteil ist, dass wir nicht an einen Hersteller gebunden sind, sondern verschiedene Fabrikate anbieten und reparieren können“, sagt Henk.

„Ich möchte die Firma aufbauen und voranbringen, auch über die Grenzen Nordhessens hinaus“, so der Geschäftsführer, der sich selbst als Mitarbeiter versteht. „Wir arbeiten hier auf Augenhöhe zusammen. Ich mache alles, was die anderen Mitarbeiter auch machen“, betont er.

Um sein Unternehmen noch bekannter zu machen, hat Henk kürzlich einen eigenen Youtube-Kanal namens „Stapler TV“ erstellt, auf dem er regelmäßig Videos einstellt. In den Kurzfilmen erklärt er beispielsweise, wie man einen Gabelstapler bedient und pflegt.

Ein Online-Video-Kurs zum Thema Staplerpflege ist gerade in Planung. „Mit der richtigen Pflege lassen sich die Lebensdauer eines Staplers deutlich verlängern und Reparaturkosten verringern“, sagt Henk. Diesen Service möchte er seinen Kunden unkompliziert bieten.

Es sei eine Illusion, dass man als Unternehmer schnell reich werde, sagt Henk. „Geld sollte bei einer solchen Betriebsübernahme aber auch nicht der Antrieb sein“, findet er. Ihm gehe es vielmehr um Selbstverwirklichung. „Ich will etwas erschaffen, das mir gefällt. Ich habe hier die Möglichkeit, ein Team aufzubauen, mit dem ich glücklich bin und es mit mir.“

MTO Nordhessen CNC

Anders als Björn Henk hat Mitja Leipold ganz gezielt nach einem Betrieb gesucht, den er übernehmen konnte. Dazu hat der 30-jährige Wirtschaftsingenieur immer wieder die Nachfolgebörsen der Industrie- und Handelskammer und der Handwerkskammer durchstöbert.

Dort stieß er auf das Angebot von Reinhard Orth, der einen Nachfolger für seinen Betrieb MTO suchte. Die Firma, die damals 14 Mitarbeiter beschäftigte, fertigt Bauteile für die metallverarbeitende Industrie. Die Bandbreite reicht vom kleinen Einzelteil bis zur kompletten einsatzbereiten Anlage. Auf genau solch ein Angebot hatte Leipold gewartet. „Ich wollte immer im Bereich Maschinenbau und Produktion arbeiten. Mir gefällt daran, dass vorher rohes Material den Betrieb veredelt als fertiges Bauteil wieder verlässt“, sagt er.

Seit mehr als einem Jahr leitet Mitja Leipold (30) das Zerspanungsunternehmen MTO Nordhessen CNC.
Seit mehr als einem Jahr leitet Mitja Leipold (30) das Zerspanungsunternehmen MTO Nordhessen CNC. © Nicole Schippers

Im November 2016 traf Leipold sich erstmals mit Orth. Er erstellte ein Konzept, redete mit Banken und Steuerberatern. „Das war schon eine sportliche Angelegenheit, den Kauf und den Übergabeprozess parallel zum laufenden Geschäft hinzubekommen“, sagt er. Am 1. April 2018 war es schließlich soweit. Leipold übernahm das Zerspanungsunternehmen. Orth begleitete den Prozess, unterstützte ihn beim Übergang. „Das wäre auch nicht anders gegangen“, sagt der Hobbysegler, der zuvor eine Industriewäscherei geleitet hat. Bis heute steht ihm der einstige Inhaber beratend zur Seite.

Genau wie Björn Henk hat auch Leipold die Übernahme des Betriebs bis heute nicht bereut. „Das war die beste Entscheidung meines Lebens“, sagt er. Ihn erfüllt der große Gestaltungsspielraum, den er als Unternehmer hat: „Ich kann alle Rahmenbedingungen selbst setzen.“ Zwei weitere Mitarbeiter hat Leipold inzwischen eingestellt. Mit den Zahlen des ersten Geschäftsjahres sei er sehr zufrieden, sagt der Jungunternehmer. Stück für Stück will er das Unternehmen nun weiter aufbauen. „Ich setze auf langsames, stabiles Wachstum.“ Besonders wichtig ist ihm dabei, dass die Mitarbeiter gerne zur Arbeit kommen. „Es muss ein guter Arbeitsplatz für alle sein“, sagt Leipold.

„Zukunftsfähige Nachfolge“ wird erstmals ausgezeichnet

Seit dem Jahr 2003 werden junge Unternehmen mit dem Hessischen Gründerpreis ausgezeichnet, die ihren Hauptsitz in Hessen haben, nicht länger als fünf Jahre am Markt sind und deren Gründer zur Finanzierung ihres Lebensunterhaltes nicht mehr auf staatliche Mittel angewiesen sind. 

Der Preis wird in vier Kategorien vergeben. Zu ihnen zählen „Innovative Geschäftsidee“ und „Gesellschaftliche Wirkung“ sowie „Gründung aus einer Hochschule“. In dieser Kategorie steht auch das Kasseler Startup Zazmo im Halbfinale. Das Team hat eine Zahlungsmethode für Gruppen entwickelt (HNA berichtete). Erstmals wird in diesem Jahr auch in der Kategorie „Zukunftsfähige Nachfolge“ ausgezeichnet. Das Halbfinale des Hessischen Gründerpreises findet am 16. September in Frankfurt statt. Die Finalisten werden am 26. September in Wetzlar bekannt gegeben. In der mittelhessischen Stadt findet am 1. November auch das Finale statt.

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