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Kasseler Heizungsbauer zu Gesetzentwurf: So bricht bei vielen Leuten Panik aus

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Von: Andreas Hermann

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Unser Bild zeigt die Lüftungsanlage einer Wärmepumpe vor einem Wohnhaus.
Die Politik setzt auf Wärmepumpen: Viele Kunden können sich aber die Investition gar nicht leisten, berichten Kasseler Heizungsbauer. Unser Foto zeigt die Lüftungsanlage einer Wärmepumpe vor einem Wohnhaus. ©  Silas Stein/dpa

Betriebe zum vom Bund geforderten Heizungsaustausch: Es fehlt an Zeit, Material, Personal und Geld

Kassel – „Muss meine alte Ölheizung jetzt raus?“ „Macht eine neue Gasheizung noch Sinn?“ „Ist mein Haus überhaupt für den Einbau einer Wärmepumpe geeignet?“ Die massenhaften Anfragen von besorgten Kunden beschäftigen die Heizungs- und Klimatechnik-Unternehmen schon seit Monaten und auch in Kassel. Nach dem nun vorliegenden Gesetzentwurf zur Umstellung auf erneuerbare Energien (siehe Hintergrund) wird der Heizungsaustausch als zentraler Schritt auf dem Weg zur bundesweiten Treibhausgas-Neutralität im Jahr 2045 angesehen. Die angekündigten Fristen und Pflichten lassen die Anfragen und Sorgen ihrer Kunden aber wohl nicht weniger werden, erwarten Heizungsbauer aus Stadt und Kreis auf Anfrage unserer Zeitung.

„Die Aufregung wird eher noch steigen“, sagt Uwe Loth, der Obermeister der Fachinnung Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik Kassel. Knackpunkt ist für ihn der zeitliche Ansatz. So müssen laut Entwurf ab 1. Januar 2024 alle neu eingebauten Heizungen zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Das sei zu knapp, betont der Chef der Erhard Loth & Sohn GmbH (Vellmar). Diese Frist werde Zeitdruck für alle Beteiligten und Schnellschüsse beim Heizungsaustausch zur Folge haben. „So wird bei vielen Leuten Panik ausbrechen“, befürchtet Uwe Loth.

Gerade viele ältere Menschen hätten auch wegen der gestiegenen Energiepreise geplant, ihre alte Öl- oder Gasheizung durch eine neue zu ersetzen. Da der Bund nun aber auf Wärmepumpen setze, seien für die Hauseigentümer mindestens doppelt so hohe Investitionen nötig. Und auch der Einbau Strom betriebener Wärmepumpen werde an den höheren Energiepreisen, die sie zu schultern hätten, nichts ändern. „Ich würde mir mehr Ruhe und Strukturiertheit wünschen“, sagt Loth zu dem vom Bund forcierten Heizungsaustausch.

„Ruhe bewahren“, sei auch der Appell, den er an seine Kunden richte, sagt Heizungsbaumeister Uwe Kraft. Die Wärmepumpe sei die beste Lösung, denn sie laufe mit Strom, der mit Photovoltaik auf dem Dach selbst produziert werden könne. Ob sich diese aber für ein Haus überhaupt eigne, müsse von Fall zu Fall geprüft werden, sei etwa von der Dämmung abhängig, erklärt der Geschäftsführer der Kraft GmbH (Kassel) im Stadtteil Fasanenhof. Nicht zuletzt spielten beim Heizungstausch auch die Finanzen eine Rolle. „Was kann oder will ich ausgeben?“ sei die Frage, die er immer seinen Kunden stelle. Für den Einbau einer Wärmepumpe im Einfamilienhaus sei mit 30 000 Euro und mehr zu rechnen. Kraft: „Diese Investition können sich viele Kunden gar nicht leisten.“

Aktuell und auf absehbare Zeit gibt es beim Heizungsaustausch noch ganz andere Probleme: Wegen der anhaltend großen Nachfrage sind die Preise hoch. Es gibt viel Arbeit, aber viel zu wenig Material und Personal, berichten die Betriebe übereinstimmend. Hauseigentümer, die auf die Wärmepumpe umstellen wollen, müssten Geduld haben. Die komplette Technik für eine solche Anlage sei wegen der Nachfrage schon seit dem vergangenen Jahr nicht mehr ohne lange Lieferzeiten erhältlich, sagt Ingo Zimmermann, Kundendienstleiter der Rainer Hagemann GmbH (Kassel) in Niederzwehren. „Wer sich jetzt erst meldet, der hat dieses Jahr keine Chance mehr.“ Aus dem Tausch der alten Öl- oder Gasheizung gegen eine neue Wärmepumpe könne frühestens im nächsten Jahr etwas werden.

Hintergrund

Eine sofortige Pflicht zum Austausch von Heizungen soll es bei Bestandsgebäuden nicht geben. Der vom Bundeskabinett gebilligte Gesetzentwurf zur Umstellung sieht aber vor, dass ab 1. Januar 2024 alle neu eingebauten Heizungen zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden müssen. Der Einbau neuer Öl- und Gasheizungen soll nur noch in Ausnahmefällen erlaubt sein, nämlich wenn sie mindestens 65 Prozent grüne Gase wie Biomethan oder Öle aus erneuerbaren Rohstoffen beziehen.

Nach dem Entwurf wird es für den Fall, dass eine Heizung kaputtgeht und nicht mehr repariert werden kann, Sonderregeln geben. So sollen etwa Hauseigentümer, die älter als 80 Jahre sind, die 65-Prozent-Vorgabe nicht einhalten müssen. Für den Heizungsaustausch werden zudem weitere Übergangsfristen und Fördermöglichkeiten angekündigt.

(Andreas Hermann)

Uwe Loth Innungsobermeister
Uwe Loth Innungsobermeister © Privat

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