Als Lange dem Lieferwagen ausweichen wollte, geriet er ins Straßenbahngleis und überschlug sich. Beim Aufprall brach Langes linker Oberschenkelhals. „Das ist der dickste Knochen im Körper“, sagt der IT-Fachmann der Uni Kassel. Der Paketbote habe ihn wieder auf die Beine ziehen wollen. „Der hatte wohl noch nie einen Erste-Hilfe-Kurs besucht.“
Es war Langes Glück, dass direkt hinter ihm ein Rettungswagen fuhr. So konnte er schnell behandelt werden. Länger dauerte die juristische Aufarbeitung. Ein halbes Jahr war Lange in der Reha und damit berufsunfähig. Der 47-Jährige trug eine Gehbehinderung davon. Drei Schrauben stecken in seiner Hüfte. Mithilfe der Hamburger Kanzlei Bikeright, die auf solche Fälle spezialisiert ist, erhielt er Schadensersatz. Der Paketbote bekam nur eine Teilschuld. „Es hieß, ich hätte auch auf den Bürgersteig ausweichen können.“
Lange wünscht sich, dass das Ordnungsamt das Zuparken von Radwegen stärker kontrolliert und ahndet.
Marc Köhler erinnert sich gut an den Unfall im Juni 2019. Damals war er mit dem E-Bike auf der Werner-Hilpert-Straße in Richtung Hauptbahnhof unterwegs. „Auf der Straße gibt es keinerlei Infrastruktur für Radfahrer“, sagt der Architekt aus Kassel. Also fuhr der Viel-Rad-Fahrer auf dem rechten Fahrstreifen.
100 Meter oberhalb des Lutherplatzes wurde Köhler von einem Gelenkbus überholt. „Der Busfahrer hatte beim Überholen genug Abstand zu mir gehalten, doch offenbar leider nicht daran gedacht, dass er mit einem Gelenkbus unterwegs war“, sagt Köhler. Jedenfalls scherte der Busfahrer zu früh wieder auf den rechten Fahrstreifen ein, sodass Köhler vom hinteren Teil des Busses in Richtung des seitlichen Parkstreifens gedrängt wurde. In der Folge stürzte er und landete auf der Fahrbahn.
Dabei hatte er mehrfaches Glück: Er wurde nicht von herannahenden Autos erfasst und der Helm hatte ihn vor Kopfverletzungen bewahrt. Nachdem Köhler eine Weile auf der Straße gelegen hatte, wurde er vom Mitarbeiter eines benachbarten Fitnessstudios aufgesammelt. Köhler war an Händen und Knien verletzt. Nach dem Unfall hat der Kasseler lange Zeit Strecken ohne Radwege gemieden. Noch heute fährt er Umwege, um sicher zu fahren.
Er hat bis heute keine Erklärung: Am 2. Februar vergangenen Jahres wollte Jörg Kilian an der Druseltalsraße/ Ecke Baunsbergstraße den Zebrastreifen zu Fuß überqueren. Als der 53-Jährige bereits mitten auf dem Zebrastreifen stand, wurde er von einer Autofahrerin erfasst. Die Frau hatte ihn offenbar übersehen. „Ich weiß nicht, warum sie mich nicht gesehen hat, aber ich hatte Glück, dass es ein Smart und kein SUV war“, sagt Kilian. Doch der Smart war ungebremst in ihn hineingefahren.
Beim Aufprall wurden Schulterkopf und Oberarm gebrochen. Der behandelte Arzt solle später von einem Trümmerfeld sprechen. Was für Kilian genauso schlimm war, war das Verhalten der Autofahrerin. „Sie hat mich mit Flüchen überzogen.“ Eine andere Passantin habe sich dankenswerterweise um ihn gekümmert und seinen Kopf gehalten, bis der Krankenwagen kam.
Der 53-Jährige erhielt später ein Schmerzensgeld und die Frau musste 1000 Euro an eine gemeinnützige Stiftung spenden. „Es hat mich Überwindung gekostet, bis ich wieder über Zebrastreifen gehen konnte.“ Die Unfallverursacherin habe sich in der Klinik nicht einmal erkundigt, wie es ihm gehe.
Robert Wöhler kennt als Vorsitzender des ADFC Kassel die Probleme der Radfahrer. Im Juli 2018 hat der Kasseler am eigenen Leib zu spüren bekommen, wie gefährlich es als Radfahrer sein kann.
Wöhler war auf der Mulangstraße bergab in Richtung Habichtswald-Klinik und Wilhelmshöher Allee unterwegs. Auf Höhe der Einmündung Wigandstraße kam ihm ein Audifahrer entgegen, der links in die Wigandstraße einbog und dabei Wöhlers Vorfahrt missachtete. „Der hat nicht mal geblinkt“, sagt Wöhler. Der Radfahrer versuchte noch auszuweichen, schaffte es aber nicht. Wöhler landete auf der Motorhaube. „Eines der ersten Dinge, dass der Fahrer zum Beifahrer sagte, war, dass sie im VW-Werk anrufen müssen, weil sie nun später zur Arbeit kommen.“
Wöhlers Schulter war ausgekugelt und der Brustkorb war geprellt. Er musste eine Nacht im Krankenhaus verbringen und mehrere Wochen zur Physiotherapie. Das Verfahren wurde gegen Auflagen eingestellt. Wöhler erhielt Schmerzensgeld. Lange Zeit war er sehr vorsichtig unterwegs. Seine Lektion: „Man wird oft übersehen auf dem Rad. Auch auf Vorfahrt sollte man sich nie verlassen.“ (Bastian Ludwig)
Wie ein Zusammenstoß zwischen Radfahrer und Autofahrer schlimmsten Falls ausgehen kann, zeigt ein Unfall vom Mai 2022 aus Fritzlar, bei dem eine Radfahrerin ums Leben kam.
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